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Die Hueter Der Rose

Die Hueter Der Rose

Titel: Die Hueter Der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gable
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verborgene Kraft schien ihm innezuwohnen, und John brauchte nicht lange zu rätseln, wer oder was ihm diese Kraft verlieh. Sie war durch und durch diabolisch.
    »Ihr seid ein Lügner wie alle Engländer und obendrein ein Einfaltspinsel«, bekundete der Dauphin. »Die Waliser sind der englischen Unterdrückung überdrüssig und halten es mit uns.«
    John suchte nach einem höflichen Weg, dem Prinzen beizubringen, dass er nicht ganz auf dem Laufenden war. »Es gibt Ausnahmen, Euer Gnaden«, erklärte er.
    Der Dauphin wandte sich ab, als habe er sich nun genug gelangweilt. »Schafft ihn fort, Chinon.«
    Der Ritter zerrte John auf die Füße. »Soll ich herausfinden, ob er irgendetwas Brauchbares weiß?«, fragte er eifrig, und ein kaltes Funkeln lag in seinen Augen, als er John anschaute.
    »Mir ist gleich, was Harry von England Burgund anbietet«, erwiderte die so eigentümlich schleppende Stimme. »Er wird so oder so keinen Erfolg haben. Macht mit dem Kerl, was Ihr wollt. Wenn Ihr ihn tötet, schafft ihn weg und seid diskret. Ich will davon nichts wissen.«
     
    Als John zurück in den verschneiten Hof kam, sah er seine Vermutung bestätigt: Er befand sich in einer großen Burg. Die Mauer, die die Anlage umfriedete, bildete ein ungleichmäßiges Fünfeck und war gewiss dreißig Fuß hoch.
    »Wo sind wir hier?«, fragte er.
    Er bekam keine Antwort.
    »War es die Loire, die wir überquert haben?«, bohrte er weiter.
    Chinons langer Kumpan nickte grinsend. »So ist es, Freundchen. Hier wird dein teurer Harry sich nicht herwagen.«
    »Halt’s Maul, Roger«, schnauzte Chinon.
    Zu zweit führten sie John quer über den Innenhof zu einemgedrungenen, hässlichen Turm mit winzigen Fenstern, der dem Haupttor etwa gegenüberlag. John schaute kurz über die Schulter, ehe sie durch den Eingang traten, und erhaschte einen Blick auf eine nackte, verschneite Birke mitten im Hof und den bleigrauen Winterhimmel dahinter. Es war nicht viel, aber möglicherweise das letzte Mal, dass er einen Baum und den Himmel sah. Noch während er zurückschaute, schwebte eine Elster über die Mauer und landete in den Zweigen der Birke. Großartig, dachte John mutlos und schaute schnell wieder nach vorn. Genau das, was mir gefehlt hat …
    Eine kurze Wendeltreppe führte zu den Verliesen hinab. Chinon nahm eine Fackel aus der Wandhalterung am oberen Ende der Treppe. Unten gingen drei niedrige Türen von einem engen Vorraum ab. Auf Chinons Zeichen öffnete der andere Ritter die linke, und sie stießen John über die Schwelle.
    Wortlos schaute John sich um, und er achtete darauf, dass sein Gesicht vollkommen unbewegt blieb. Er entdeckte nichts, was ihn wirklich überraschte, denn er kannte die Verliese im Keller der Burg von Waringham. Dort wie hier bestanden die Wände aus großen, schwärzlichen Steinquadern. Der Lehmboden war mit einer dünnen, schmuddeligen Strohschicht bedeckt, auf welcher jetzt Eiskristalle glitzerten. Ein paar Ratten flohen vor dem flackernden Fackelschein in die dunklen Ecken des großen, länglichen Kerkers. Hier und da hingen rostige Ketten an den Wänden oder baumelten von der niedrigen, gewölbten Decke. Trotz der eisigen Kälte war der Gestank nach Fäulnis, Exkrementen und Verzweiflung durchdringend. Der große Unterschied zu den meist leerstehenden Verliesen von Waringham war, dass John und seine Freunde daheim sie gemeinsam erkundet hatten, um sich gegenseitig ihren Wagemut zu beweisen und dann anschließend in die Welt des Lichts zurückzukehren und über die Wiesen jenseits der Burgmauer zu rennen, bis das schaurige Gefühl, lebendig begraben zu sein, sich verflüchtigt hatte. Hier hingegen würde er ausharren müssen. Er war nicht sehr zuversichtlich, dass er das konnte.
    Chinon verpasste ihm einen Stoß zwischen die Schultern.»Los, rüber an die Rückwand.« Er packte John am Arm, zerrte ihn die fünf Schritte zur gegenüberliegenden Wand und schlug ihm die Faust ins Gesicht. Johns Kopf flog krachend gegen die Mauer, und er sank benommen auf die Knie. Der Franzose packte ihn im Nacken und schleifte ihn ein Stück nach rechts. Ehe John wusste, wie ihm geschah, spürte er eine rostige Eisenschelle um den Hals. Das kleine Scharnier quietschte, dann rastete das Schloss ein.
    »Seht zu, dass Ihr nicht zusammensackt, wenn Ihr einschlummert, sonst erhängt Ihr Euch selbst«, riet Chinon, er tat besorgt. »Ich komme morgen wieder. Oder übermorgen. Oder vielleicht doch erst nächste Woche?« Lachend wandte er sich

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