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Die Hueter Der Rose

Die Hueter Der Rose

Titel: Die Hueter Der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gable
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erhaschte einen Blick auf sein eigenes Konterfei in Chinons blank polierter Beinschiene. Was er sah, war kaum mehr ein menschliches Gesicht. Eher eine Tierfratze. Die Lippen im zottigen Bart verschwunden, die Zähne gefletscht, die Augen blutunterlaufen und leer. Es ist wahr, erkannte er. Ich bin tot. Er hörte ein Geräusch, das ihn an das Reißen einer Bogensehne erinnerte, im selben Moment schienen seine Schultern zu zerbersten, seine Schreie verhallten zu einer kraftlosen Geisterstimme, und er stürzte kopfüber zurück in die Finsternis.
     
    Als er das nächste Mal aufwachte, konnte er sich überhaupt nicht vorstellen, wo er sich befand. Nicht mehr im Verlies, so viel stand fest. Helles, bläuliches Sonnenlicht durchflutete den Raum. Blinzelnd schaute John sich um, ohne irgendetwas anderes als den Kopf zu bewegen. Das Licht fiel durch ein großzügiges Fenster auf weiß getünchte Wände, die mit einem vielfarbigen Fries verziert waren. Und damit nicht genug, John stellte verblüfft fest, dass er in einem breiten, himmlisch weichen Bett mit Vorhängen und Baldachin lag. »Was zum Henker …« Er verstummte erschrocken, denn seine Stimme klang rau und heiser, gänzlich fremd.
    Versuchsweise hob er die Hände. Kein grauenvoller Schmerz durchzuckte ihn. Er spürte lediglich ein dumpfes Pochen in den Schultern und bleierne Schwere in allen Gliedern, und er hatte einen Brummschädel, auf den er sich keinen Reim machen konnte. Sein rechtes Handgelenk war geschient und bandagiert, seine Hände, sogar die Nägel waren sauber. Er legte die Linke auf sein Gesicht. Der Bart war verschwunden.
    Kopfschüttelnd und immer noch ein wenig argwöhnisch, weil er der plötzlichen Freiheit von Schmerz einfach nicht trauen konnte, richtete er sich auf. Nichts Fürchterliches geschah. Die Decke rutschte auf seine Hüften hinab, und er stellte fest, dass er, abgesehen von einer Vielzahl blauer Flecken und Abschürfungen, nur ein Paar Beinlinge trug, aber sie waren frisch und sauber. Langsam stand er auf. Ein leises Rauschen erhob sich in seinen Ohren, und ihm wurde schwarz vor Augen. Er stützte sich einen Moment an den Bettpfosten, und es verging. Das Holz unter seiner Hand war fein gedrechselt, auf Hochglanz poliert, und es duftete schwach. John fragte sich flüchtig, wann er zum letzten Mal einen angenehmen Geruch wahrgenommen hatte.
    Auf einer geschnitzten Eichentruhe am Fenster lagen Hosen und Wams aus dunkelgrünem Tuch und eine seidenbestickte, dunkelrote Schecke; ein Paar nagelneuer Stiefel stand daneben. Es waren feinere Kleider, als John sie je besessen hatte, aber sie waren zweifelsohne für ihn bestimmt, denn auf der Schecke entdeckte er sein Büchlein mit Mortimers Gedichten und seine chronisch leere Börse. Ein hellblaues Samtband war darüber drapiert. Mit einem schwachen Lächeln nahm er es in die Linke und drückte es an die Lippen. Es war nicht mehr so makellos sauber wie an dem Tag, als er es bekommen hatte, und es duftete auch nicht mehr nach Juliana of Wolvesey. Es roch nach gar nichts. Aber es erinnerte ihn an sie, und er war dankbar, dass er es nicht verloren hatte.
    Mit steifen Bewegungen legte er die feinen Sachen an. Sie passten, als seien sie für ihn geschneidert.
    Auf einem Tisch an der Wand links des Fensters entdeckte er eine Schüssel mit Wasser, reines Leinen, einen Teller mit Brot, welches in irgendeiner Brühe eingeweicht worden war und wunderbar nach Fleisch und Kräutern duftete, einen Krug Wein. Während er das Brot heißhungrig verschlang, betrachtete er sich in der stillen Wasseroberfläche der Waschschüssel.
    Sein Spiegelbild hatte sich ganz enorm zum Vorteil verändert, stellte er fest. Nicht nur der Bart war verschwunden, sondernauch die schwarzen Locken waren gestutzt, und irgendwer hatte das Wunder vollbracht, sie von den elenden Läusen zu befreien. John erahnte noch dunkle Schatten unter seinen Augen, aber er sah nicht mehr aus wie ein verendetes Tier.
    »Ah, diesen Kerl kenne ich«, sagte er kauend. »Das ist John of Waringham. Gut, dich zu sehen, Mann.«
    Er wusch sich die fettige Brühe von den Fingern und trocknete sich gerade die Hände ab, als die Tür sich öffnete. Er schaute auf.
    Bischof Beaufort trat ein, verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete John von Kopf bis Fuß. Dann lächelte er.
    John wandte den Kopf ab. Die offenkundige Erleichterung in Beauforts Blick war ihm peinlich. »Ich wusste, dass Ihr ein frommer Mann und ein hoher Kirchenfürst seid, Mylord. Was

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