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Die Hueter Der Rose

Die Hueter Der Rose

Titel: Die Hueter Der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gable
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suchen. Allesamt fielen sie den englischen Schwertern zum Opfer, wurden niedergemäht wie dünne Halme. Und Caen schien nur noch eine einzige, gellende Stimme zu haben, die in Panik schrie.
    Dann plötzlich ließ Somerset sein kostbares Schwert fallen, drängte sich rüde zum König vor und packte ihn unsanft am Arm. »Sire …«
    Harry fuhr zu ihm herum, die Waffe erhoben. Somerset zuckte vor dem Leuchten seiner Augen, in welchen sich der Feuerschein spiegelte, nicht zurück. Stumm wies er auf einen schmalen Hauseingang zur Linken. Auf der Stufe saß eineFrau, einen Säugling an der prallen, entblößten Brust. Kind und Brust waren nass von Blut. Die Frau war enthauptet.
    Harry betrachtete sie einen Moment, senkte schließlich das Schwert und nickte. Dann hob er den Kopf und rief mit seiner tragenden Stimme: »Halt! Das ist genug!«
    Nein, dachte John wütend, es ist nicht genug. Es kann niemals genug sein. Das Schwert immer noch in der blutverschmierten Faust wollte er weiterstürmen, weiter morden, doch Tudor packte seinen Arm und hielt ihn zurück. »Du hast den König gehört.«
    Wütend fuhr John zu ihm herum. »Du hast mir gar nichts zu befehlen. Du hast mich im Stich gelassen, du treuloser walisischer Bastard.«
    Tudor ging nicht darauf ein. Stattdessen wies er mit dem Finger auf die Erde, ein kleines Stück zur Linken der Toten. Dort lag ihr Kopf. Als habe ihm jemand einen Tritt versetzt, rollte der Kopf plötzlich zu John herüber und blieb mit dem Gesicht nach oben zu seinen Füßen liegen. Es war Julianas Gesicht.
    »Und was hast du getan?«, fragte Tudor angewidert.
    John wollte mit den Fäusten auf ihn losgehen, aus ihm herausprügeln, was zum Teufel er damit meinte, doch als er die Hände nach ihm ausstreckte, musste er feststellen, dass er angekettet war, ein Vorhang aus Dunkelheit senkte sich zwischen ihnen herab, und John war allein. Nichts, kein Laut war zu hören bis auf sein eigenes, abgehacktes Atemgeräusch, und so sehr er auch starrte, sah er doch nichts als Dunkelheit.
    Die Dunkelheit war das Schlimmste.
    Diese Erkenntnis hatte ihn überrascht, denn hier gab es viele schlimme Dinge. Hunger, zum Beispiel. Die unbarmherzige Kälte und das Ungeziefer. Sein Kopf wimmelte von Läusen. Flöhe und andere kleine Plagegeister hatten sich in seinen Kleidern eingenistet. Erniedrigungen. Die unerträglichste von allen war, dass die Ketten ihn zwangen, seine Hosen zu beschmutzen und in seinem eigenen Unrat zu sitzen. Er stank, und der Ekel ließ ihn schaudern, machte es so unvorstellbar schwer, nochAchtung vor sich selbst zu haben. Dann gab es Furcht, Einsamkeit und Schmerz.
    Victor de Chinon brüstete sich gern damit, wie sehr der Dauphin auf ihn vertraute, wie häufig er ihn zu wichtigen Aufträgen fortschickte, aber gelegentlich fand der viel beschäftigte Ritter des Prinzen dennoch Zeit für John. Ohne die geringsten Hemmungen schlug er den wehrlos Gefesselten. Einmal hatte er seinen Kopf in einen Bottich mit Wasser gesteckt, bis John um ein Haar ertrunken wäre. Bei seinem letzten Besuch hatte Chinon ihm Daumenschrauben angelegt, die er, wie er voller Stolz berichtete, von einem Stadtrichter in Orléans geborgt hatte. Und niemals stellte er John eine einzige Frage. Da den Dauphin nicht interessierte, welche Offerten Harry von England dem Herzog von Burgund unterbreitete, gab es nichts, was Chinon John hätte abpressen können. Er wollte ihn auch nicht brechen, um ihn in irgendeiner Weise gefügig zu machen. Er wollte ihn einfach nur quälen. Weil John Engländer war. Wegen Agincourt. Aus Rachgier für nahezu ein Jahrhundert Krieg.
    Das verwunderte John auch nicht. Wäre plötzlich ein Wunder geschehen und die Situation hätte sich umgekehrt, hätte er mit Chinon genau das Gleiche getan. Er war sicher. Mit ihm oder mit jedem anderen Franzosen, der ihm in die Hände fiele. John dachte manchmal, dass es sein Hass war, der ihn am Leben erhielt, doch er war ein unangenehmer Kerkergenosse, dieser Hass. Er wärmte einen nicht, wie schöne Erinnerungen es zum Beispiel konnten. Er gab einem keinen Mut. Doch schöne Erinnerungen waren schwieriger heraufzubeschwören, je länger diese Gefangenschaft währte. John versuchte, sich Gedichte und Verserzählungen aufzusagen, die er als Junge von seiner Mutter gelernt hatte, doch auch in dieser Hinsicht ließ sein Gedächtnis ihn zunehmend im Stich. Der Hass hingegen gedieh mit jedem Tag. Vor allem in der Dunkelheit.
    Sie war schlimmer als alles andere, weil sie John

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