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Die Hueter Der Rose

Die Hueter Der Rose

Titel: Die Hueter Der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gable
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Freitag hier verhökern kann, nicht wahr?« Er hatte schnell gelernt.
    Die Frau bedachte ihn mit einem finsteren Blick, sagte aber nichts mehr. Ihr Mangel an Empörung ob seiner Verdächtigungbrachte John zu der Erkenntnis, dass er mitten ins Schwarze getroffen hatte.
    Je weiter er zur Platzmitte kam, umso dichter drängten sich die Menschen, aber John arbeitete sich beharrlich vor. So gelangte er schließlich in die vorderste Reihe der Schaulustigen, die wie auf eine geheime Verabredung hin einen Ring gebildet hatten, der etwa zwanzig Schritte Abstand zur Richtstätte hielt. Doch was John im Zentrum dieses Kreises entdeckte, war kein Galgen.
    »Oh, Jesus Christus … ein Scheiterhaufen.«
    »Ja, was hast du denn gedacht?«, fragte ein grauhaariger Gnom zu seiner Linken, der Kleidung nach ein Handwerker. »Was tut ihr mit den Ketzern, da wo du her bist? Schaff den Gaul weg, er wird scheuen, wenn sie das Feuer anzünden.«
    »Nein, wird er nicht«, entgegnete John abwesend. Trotzdem erwog er, mitsamt Mickey von hier zu verschwinden. Ein Gefühl warnte ihn, dass er dieses grausige Schauspiel lieber versäumen sollte, und sei es nur, weil es seinem jüngsten Albtraum so gefährlich nahe kam. Er wollte keinen Menschen brennen sehen. Doch als er Mickeys Zügel nahm, um kehrtzumachen, musste er feststellen, dass es zu spät war. Eine Gasse hatte sich in der Menge gebildet, wodurch das Gedränge noch ein wenig dichter wurde. John fand sich zwischen zu vielen ungewaschenen Leibern eingezwängt. An Umkehr war nicht zu denken.
    Angeführt von einer Schar betender Mönche kam eine kleine Prozession durch die Gasse. Es waren zwölf Brüder, die große, brennende Wachskerzen trugen, und der dreizehnte, der vorausging, war der Prior von St. Bartholomew, wie John dem ehrfürchtigen Raunen entnahm. Den Mönchen folgten zwei Männer des Sheriffs, von denen einer das Gespann führte, welches den Henkerskarren zog. Ein vielleicht dreißigjähriger Mann im knielangen Büßerhemd stand darauf, die Hände mit Eisenschellen auf den Rücken gefesselt. Seine Füße waren nackt, sein Kopf unbedeckt. Er war so bleich, dass sein Gesicht grau wirkte, und er zitterte. Hinter dem Karren marschiertenvier weitere Wachen, dann kamen einer der Sheriffs und der Lord Coroner von London hoch zu Ross und mit respektvollem Abstand hinter ihnen der maskierte Scharfrichter.
    Ein gedämpftes Gemurmel hatte sich in der Menge erhoben, und eine tiefe Männerstimme rief: »Warmer Tag heute, wie, Tanner?« Doch das Gelächter der Umstehenden klang dünn und unsicher. Die Festtagsstimmung, die sonst so typisch für Hinrichtungen war, wollte sich nicht einstellen.
    »Was … was hat er getan?«, fragte John seinen Nachbarn.
    »Eigentlich gar nichts«, erwiderte der Gnom. »Er ist ein Ketzer. Er verbreitet Irrlehren, verstehst du.«
    »Nein«, gestand John. »Was für Irrlehren?«
    »Verfluchtes Lollardengewäsch«, bekam er zur Antwort. Das machte ihn nicht klüger, aber das angewiderte Ausspucken des Mannes legte den Schluss nahe, dass es sich bei den Irrlehren dieses Ketzers um irgendetwas Abscheuliches handeln musste.
    »Was tun der Sheriff und seine Männer dann hier?«, fragte der Junge weiter. »Ist Ketzerei nicht eine Angelegenheit der Kirche?«
    »Doch. Der Bischof verurteilt sie und übergibt sie dann zur Hinrichtung der weltlichen Gerichtsbarkeit.«
    Der Zug hatte die Mitte der Wiese erreicht. Zwei der Wachen kletterten auf den Karren und holten den Ketzer herunter. Sie führten ihn die wenigen Schritte zum Scheiterhaufen hinüber: einem stabilen Holzpfosten, vor dem ein halbes Holzfass stand, um welches man Feuerholz und Reisigbündel aufgeschichtet hatte. Der eine Soldat wollte den Gefangenen am Ellbogen packen, sprang aber hastig zurück, als der Verurteilte sich plötzlich erbrach. Er krümmte sich und fiel auf die Knie. Die Wachen fluchten, warteten aber nicht, bis der erbarmungswürdige Tropf aufhörte zu würgen, sondern zerrten ihn hoch und zwangen ihn, in das Fass zu steigen. An dem Pfahl baumelte eine kurze Kette, die sie in seine Handfesseln einhakten. Der Verurteilte spuckte nicht mehr. Erschöpft lehnte er den Kopf zurück gegen den Pfosten und schloss die Augen.
    Derweil machte der Henker sich an einem kleinen Reisighäufleinneben dem Scheiterhaufen zu schaffen und zündete es an, während der Sheriff das Urteil verlas: »Im Namen Gottes, Amen! Wir, Henry, Bischof von St. David, klagen dich, Edmund Tanner, Gerber aus Mile End, der Verbreitung

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