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Die Hueter Der Rose

Die Hueter Der Rose

Titel: Die Hueter Der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gable
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Schlachterviertel und die große Kathedrale, aber er schenkte keinem all dieser Wunder große Beachtung. Er war hungrig und durstig, doch er besaß kein Geld mehr, um Abhilfe zu schaffen. Er hatte seinen guten Dolch verloren. Seine feinen Kleider waren schlammbesudelt und zerrissen. John hatte genug von London.
    Das Tor, durch welches er diesem Sündenbabel schließlich entkam, war ein schwarzer, riesiger Kasten mit viel zu kleinen Fenstern. Aus einer dieser Luken drangen erbarmungswürdige Schreie. Schaudernd zog John die Schultern hoch und wandte den Kopf ab.
    »Spar dir dein Mitgefühl, Söhnchen«, bemerkte der Wachsoldat, der an der sonnenbeschienenen Tormauer lehnte und ein Stück Brot mit dicken Zwiebelringen verspeiste. »Was wir hier einsperren, ist der schlimmste Abschaum der Stadt.«
    »Das Tor ist ein Gefängnis?«, fragte John.
    Der Soldat nickte. »Newgate.«
    »Oh, verflucht … Ich hab mich schon wieder verirrt. Ich hätte das Ludgate nehmen müssen.«
    »Wo soll’s denn hingehen? Westminster?«, tippte der Mann.
    John nickte.
    Der Soldat ruckte das Kinn zum Tor. »Immer der Straße nach, bis du über den Fleet kommst. Hinter der Brücke biegst du links ab und folgst dem Fluss nach Süden, bis du wieder auf eine Straße stößt. Die führt dich nach Westminster.«
    John ritt an. »Habt vielen Dank, Sir.«
    »Keine Ursache, Söhnchen. Aber wasch dir das Blut aus der Visage, eh du dem König deine Aufwartung machst …«, riet der Torwächter.
    Verlegen fuhr John sich mit der flachen Hand über Wange und Kinn und kehrte London erleichtert den Rücken.
     
    Auch außerhalb der Stadtmauern war viel Betrieb auf der Straße. Hier waren größtenteils Fußgänger unterwegs, so kam es dem Jungen vor, die aus der Stadt und nach Westen strebten. John konnte nur noch im Schritt reiten. Vergeblich hielt er nach dem kleinen Fluss Fleet und seiner Brücke Ausschau, und als er stattdessen Häuser vor sich aufragen sah, kam er zu dem Schluss, dass er schon wieder auf dem falschen Weg war. »Grundgütiger …«, murmelte er ungläubig. »Was ist so schwierig daran, geradewegs nach Westen zu reiten? Ich hätte mich heute früh in Southwark in die Themse stürzen und nach Westminster schwimmen sollen. Dann wär ich längst da.«
    »Gegen die Strömung? Das glaube ich kaum«, bemerkte ein Reiter, der wie ein Kaufmann aussah und der ein Stück weiter links die Straße entlang ritt.
    John schaute erschreckt auf und senkte den Blick gleich wieder. »Ihr habt Recht, Sir. Wäret Ihr so freundlich, mir zu sagen, wie dieses Dorf da vorn heißt?«
    »Das ist das schöne Smithfield, wo ich daheim bin«, gab der Reiter Auskunft.
    Von Smithfield hatte der Junge schon gehört. »Und all dieseMenschen wollen dort zum Pferdemarkt? Ich dachte, der sei freitags.«
    »So ist es auch«, erwiderte der Kaufmann. »Aber heute kommen die Londoner, weil eine Hinrichtung stattfindet. Wenn ich dir einen Rat geben darf, mein Junge: Mach kehrt und reite nach Westminster, wie es deine Absicht war. Eine viertel Meile zurück zweigt der Weg zum Fleet ab, du kannst ihn kaum verfehlen. Tu, wozu du aufgebrochen bist, und reite heute nicht nach Smithfield.«
    »Ihr habt gewiss Recht, Sir. Vielen Dank.«
    Aber er schlug den gut gemeinten Rat in den Wind. Obwohl es erst wenige Stunden her war, dass er selbst dem Tod ins Auge geblickt hatte, musste John feststellen, dass eine Hinrichtung einen unwiderstehlichen Reiz ausübte. Noch nie hatte er einen Mann baumeln sehen. Es gab so furchtbar viele Dinge, die er noch nie gesehen hatte; sein Vater hatte ihn in Waringham gar zu sicher verwahrt. Aber jetzt war er frei und konnte tun, was ihm beliebte. Obendrein war er nach seinem gefährlichen, glücklich überstandenen Abenteuer verwegener Stimmung, und er wollte es sehen.
    Er ließ sich unauffällig zurückfallen, damit der Kaufmann ihn aus den Augen verlor, tauchte in der Menge unter und gelangte so auf die weitläufige, zertrampelte Wiese von Smithfield, die als Richtstätte ebenso wie als Marktplatz diente. An einer Pferdetränke am Rande des Platzes hielt er an, ließ Mickey saufen, so viel er wollte, und wusch sich Gesicht und Hände. Dann nahm er sein Pferd am Zügel und führte es zur Mitte der Wiese.
    »He, was fällt dir ein, Bürschchen, bind deinen Gaul irgendwo weiter hinten an!«, rief eine erboste Bäuerin, der Mickeys breites Hinterteil den Blick versperrte.
    »Oh, gewiss doch«, gab John zurück. »Damit dein Sohn ihn wegführen und nächsten

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