Die Hueter Der Rose
Sie hatte die Binsen beiseite gefegt, sodass es auf den glatten Steinfliesen ungehindert fahren konnte. Krähend krabbelten die Zwillinge hinterher und griffen mit ihren rundlichen, ungeschickten Händchen nach dem kostbaren Spielzeug, das ihre Mutter jedoch immer außer Reichweite hielt.
Plötzlich hob sie den Kopf und entdeckte ihren Mann an der Tür. »John!« Leichtfüßig wie ein junges Mädchen sprang sie auf, trat zu ihm und legte die Arme um seine Taille. Ihre Wangen waren gerötet, denn es war warm in dem behaglichen Gemach, und sie duftete verführerisch nach Rosenöl und Mandeln.
John zog sie an sich und küsste sie – wegen der versammelten Zuschauer nur sittsam auf die Stirn. »Da bin ich.«
Lächelnd schaute sie zu ihm hoch. Die Wärme ihrer dunklen Lancaster-Augen schien die klamme Herbstkälte auf einen Schlag aus seinen Gliedern zu vertreiben.
»Gott sei gepriesen«, murmelte sie.
»Vater!« Kate ließ die Nadel achtlos fallen, was ihr ein ungeduldiges »Tse!« ihrer Tante eintrug, und lief zu ihm. »Hast du Simon mitgebracht?«
Alle lachten, sodass Kate errötete, aber sie hielt den Kopf hoch.
John küsste auch ihr die Stirn. »Dieses Mal leider nicht, Engel. Du weißt ja, er ist mein Stellvertreter, und einer von uns muss immer beim König sein. Wir müssen uns für eure Hochzeit etwas einfallen lassen. Am besten heiratet ihr bei Hofe.«
Sie winkte erschrocken ab. »Bloß nicht …«
John klopfte seinem Bruder im Vorbeigehen die Schulter. »Mylord.« Dann hockte er sich zu den Zwillingen, die sich erwartungsgemäß daran gemacht hatten, das Schiff in seine Einzelteile zu zerlegen. John nahm jedes der Kinder auf einen Arm und begrüßte sie trotz ihres lautstarken Protests. Dann hatte er ein Einsehen, ließ sie weiter spielen und betrachtete sie hingerissen. Mit zehn Monaten waren ihre Züge ausgeprägt genug, um zu erkennen, welche Familienähnlichkeiten sich abzeichneten. Julian war ein waschechter Waringham: blond gelockt, kornblumenblaue Augen und ein paar Sommersprossen links und rechts der Stupsnase. Nicht aus der Art geschlagen wie dein Vater, dachte John lächelnd. Blanche hatte hingegen so schwarzes Haar wie ihr Vater und ihre Großmutter, nach der sie benannt war, aber Julianas Augen. Eine Lancaster. Und als er das dachte, verspürte er einen Stich, denn er ahnte, dass Gloucesters Eifersucht und Hass sich auch gegen seine winzige Tochter richten würden. Behutsam fuhr er ihr mit einem Finger über den schwarzen Schopf und schwor sich, dass Gloucester sie niemals zu Gesicht bekommen sollte.
»Wie lang kannst du bleiben?«, fragte der Earl und lud seinenBruder mit einem Wink ein, am Tisch Platz nehmen. »Robert, schick nach Wein«, wies er seinen Sohn an.
Der Junge stand wortlos auf und ging zur Tür.
»Bis Weihnachten«, antwortete John. »Einen ganzen Monat. Es wird höchste Zeit, dass der Steward sich endlich wieder einmal um die Geschäfte von Waringham kümmert, nicht wahr?«
Raymond winkte ab. »Du weißt ja, inzwischen habe ich selbst begriffen, wie man die Bücher führt.«
Aber du lässt dir vom Reeve auf der Nase herumtanzen, dachte John. Seit einiger Zeit hatte er sogar den Verdacht, dass der Mann, der eigentlich nur zu überwachen hatte, dass die Anordnungen der Gutsverwaltung befolgt wurden, Raymond bestahl. Doch das würde er mit seinem Bruder erörtern, wenn sie einmal unter sich waren.
»Wie kommt es, dass Robert zu Hause ist?«, fragte er stattdessen. Er gab sich keine große Mühe, Freude zu heucheln.
Raymond hob mit einem resignierten Seufzen die Schultern. »Westmoreland hat ihn mit einer seiner Mägde erwischt und in Schimpf und Schande heimgeschickt.« Aber es klang nachsichtig. Das war ein Vergehen, das Raymond für verzeihlich hielt, wusste John.
Juliana gesellte sich zu ihnen und nahm neben ihrem Mann Platz. Sie ergriff seine Hand und bemerkte: »Ich wünschte, du könntest einmal über Weihnachten zu Hause sein.«
»Du weißt, es ist müßig, darüber zu reden«, antwortete er. Zu Weihnachten hielt der König traditionell Hof, und dann ging immer alles drunter und drüber. Das war keine Zeit, zu welcher der Captain der königlichen Leibwache sich absentieren konnte. »Aber wenn du willst, nehme ich dich mit«, schlug er vor.
Julianas Blick wanderte zu den Zwillingen am Boden, und sie antwortete nicht sofort. Die Kinder waren noch zu klein, um sie mit an den Hof zu nehmen, und der Gedanke, von ihnen getrennt zu sein, war schmerzlich. Doch es war
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