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Die Hüter der Schatten

Die Hüter der Schatten

Titel: Die Hüter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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darüber reden. Außerdem – wenn es einen Ausdruck gibt, den ich hasse, dann das Wort ›Emanze‹. Und ich kann es nicht fassen, daß gerade du mich so nennst.« Sie erhob sich und schob ihren Stuhl zurück. »Ich glaube, du solltest mich jetzt nach Hause fahren.«
    »Nein, verdammt.« Joel stand nicht auf, senkte nur die Stimme. »Ich bin das allmählich leid, Leslie. Jedesmal, wenn dir etwas nicht paßt, willst du nicht darüber reden. Wir können nicht immer vor unseren Problemen weglaufen. Komm, setz dich wieder.«
    »Ich versuche nicht wegzulaufen«, widersprach Leslie und nahm wieder Platz. »Aber im Unterschied zu mir scheint dir ein Streit Spaß zu machen.«
    »Ich bin Anwalt«, erwiderte er. »Und man wird kein guter Jurist, indem man bei jeder kleinen Meinungsverschiedenheit den Schwanz einzieht.«
    »Und ich mag es nicht, jedesmal ins Kreuzverhör genommen zu werden, wenn wir eine ›kleine Meinungsverschiedenheit‹ haben, wie du es so schön nennst.« Jetzt war sie richtig wütend. »Außerdem geht es hier um eine grundlegende Sache. Mit vernünftigen Argumenten komme ich offenbar nicht dagegen an. Du willst, daß ich hierbleibe und mich solange von dir unter Druck setzen lasse, bis ich meine Meinung ändere, da du nicht vorhast, deine zu ändern. Und weil ich keine Lust habe, mich von dir tyrannisieren zu lassen …«
    »Liebes, ich versuche doch nicht, dir etwas aufzuzwingen. Aber laß uns die ganze Sache mal vernünftig betrachten. Was willst du denn mit deinem Haus anfangen, wenn wir verheiratet sind?«
    »Vermieten. Verkaufen. Emily dort wohnen lassen, bis sie das Konservatorium abgeschlossen hat. Selbst darin wohnen, bis wir etwas Besseres finden.«
    Joel schob das Weinglas fort und starrte auf seinen Teller. Seine Hände waren lang und wohlgeformt, mit muskulösen, geschickten, zärtlichen Fingern. Doch Leslie wehrte die intimen Erinnerungen an diese Hände ab. Jetzt war nicht die Zeit dafür.
    »Na schön«, meinte Joel schließlich. »Vielleicht bin ich im Grunde meines Herzens altmodischer, als ich mir eingestehen will. Was Menschenrechte und persönliche Freiheiten angeht, bin ich Liberaler. Aber ich glaube, wenn man an der Oberfläche eines Jungen vom Lande kratzt – und das sind Nick und ich –, kommt darunter ein Konservativer zum Vorschein. Deshalb ist Nick Polizist geworden. Er glaubt, man könne Recht und Ordnung auf der Straße verteidigen, wo Menschen überfallen, zusammengeschlagen, erschossen oder erstochen werden. Ich gehe den leichteren Weg, indem ich vor Gericht für Recht und Gesetz eintrete. Wie sagt man so schön: In der Gesellschaft sollen die Gesetze herrschen und nicht die Menschen. Und zu all dem gehört für mich ein konservatives Wertesystem, ein angesehener Beruf, eine traditionelle Ehe, ein ganz normales Heim, eine ganz normale Ehefrau. Ich hatte gehofft, du wärst bereit, dich darin einzufügen und …«, er zögerte und suchte nach Worten, »ja, die Hälfte eines Ganzen zu werden. Eine richtige Ehe, keine lose Partnerschaft, in der zwei getrennte Persönlichkeiten eine Zeitlang nebeneinander durchs Leben zockeln, bis sie jemand Besseren finden. Ich habe ja gar nichts dagegen, wenn du zuerst ein paar Jahre arbeitest, um dich selbst zu verwirklichen, wie ihr modernen Frauen es so gern nennt.« Sein verächtlicher Tonfall krampfte Leslie den Magen zusammen. »Ich bin bereit, mich dir fürs ganze Leben zu verpflichten, Leslie, erwarte von dir aber dasselbe. Ich hatte gehofft, du wärst erwachsen genug, um eine solche Bindung einzugehen.«
    Das war die längste Rede, die Leslie je von Joel gehört hatte, und irgendwie rührte es sie, daß er sich so vehement für seine Überzeugung einsetzte. Aber was er sagte, entsprach nicht ihrer Auffassung vom Leben und von der Ehe.
    »Ich bin froh, daß du mir ehrlich gesagt hast, was du willst«, erklärte sie bedächtig, wobei es ihr so vorkam, als würde sie wie eine Therapeutin reden und nicht wie eine mögliche Ehefrau. »Aber ich muß dir gegenüber ebenfalls aufrichtig sein. Was du gesagt hast, entspricht nicht meinen Vorstellungen. Ich möchte ein unabhängiger Mensch sein und neben der Ehe mein eigenes Leben führen. So wie deine Karriere nichts mit unserer Partnerschaft zu tun haben soll, wünsche ich mir eine eigene berufliche Existenz. Ich habe nicht vor, eine Laufbahn als Mrs. Joel Beckenham einzuschlagen. Ich möchte weiter als Therapeutin arbeiten. Oder glaubst du im Ernst, ich könnte den Rest meines Lebens damit

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