Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hüter der Schatten

Die Hüter der Schatten

Titel: Die Hüter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
Vom Netzwerk:
sich an gräßliche Träume … die Laken waren wie Schlangen von ihr fortgekrochen, zu Joel, der neben dem Bett stand, und hatten sich um ihn gewunden und ihn zu erwürgen gedroht, und er hatte sich erbittert gewehrt … Leslies erster Impuls war, wieder unter die Decke zu kriechen und den ganzen Tag im Bett zu bleiben.
    Nach einer heißen Dusche war sie zumindest äußerlich wiederhergestellt; sie streifte sich Rock und Pullover über und ging nach unten, um Kaffee aufzusetzen.
    Für gewöhnlich trank sie nur eine Tasse. Doch heute morgen gönnte sie sich eine zweite und hatte auch die dritte halb ausgetrunken, als das Telefon klingelte. Sie streckte die Hand nach dem gelben Nebenapparat an der Wand aus und vernahm zornig das Summen des Besetztzeichens. Das hatte ihr gerade noch gefehlt – ein defektes Telefon. Doch als sie auflegte und es noch einmal versuchte, hörte sie das normale Freizeichen. Um sicherzugehen, rief sie den Wetterdienst an. Die Tonbandstimme kündigte feuchte Witterung und weitere Niederschläge an; die Frühlingsregen hielten sich länger als gewöhnlich. Draußen hingen dicke Wolken am Himmel, und Nebelschwaden schwebten geisterhaft in der dunstigen Luft.
    Sie durchwühlte die Küche nach einem Stück Toast, aber alles, was sie auftreiben konnte, war ein dunkler, fast steinharter Brotlaib, dessen Einwickelpapier verkündete, daß er aus neun biologisch angebauten Getreidesorten und Weizenkeimen gebacken war. So riecht es auch, dachte Leslie, als sie eine Scheibe in den Toaster steckte und mißmutig schnüffelte. »Haben wir kein richtiges Brot, Em?« fragte sie, als ihre Schwester ins Zimmer kam.
    Emilys große blaue Augen blickten ungläubig. »Was hast du gegen biologischen Anbau? Das Verhältnis von Proteinen zu Kohlehydraten ist günstiger als bei jedem anderen Brot, und es enthält überhaupt kein Weißmehl oder raffinierten Zucker.«
    »Das glaube ich gern«, versetzte Leslie düster. »Der Geruch ist dementsprechend.« Seufzend griff sie nach der Butter.
    »Und das ist eine neue Margarine, ausschließlich aus Ölen mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren hergestellt«, erklärte Emily, als Leslie gerade ins Brot gebissen hatte.
    »Sind wir so abgebrannt, daß wir uns keine richtige Butter mehr leisten können, Emmy?«
    »Nein, aber ich habe die Untersuchungen über gesättigte Milchfette gelesen und dachte mir, das hier wäre gesünder.«
    Leslie betrachtete das steinharte Vollkornbrot. »Sofern man sich nicht die Zähne daran ausbeißt«, sagte sie.
    Seufzend setzte Emily den Teekessel auf und kramte in der Blechdose, in der sie ein Dutzend verschiedene Kräutertees aufbewahrte. Sie trank weder schwarzen Tee noch Kaffee, und wenn Leslie sich Emilys makellose Haut und ihr glänzendes Haar anschaute, mußte sie zugeben, daß es funktionierte, was immer ihre Schwester tat, um einen schönen Teint und wundervolles Haar zu bekommen. Emily steckte ebenfalls ein Stück Biobrot in den Toaster. Ihr Tee roch entfernt nach Zitrone, sah jedoch aus wie Mundwasser oder Limo mit Kirschgeschmack, und Leslie schauderte bei dem Anblick. Emily machte sich begeistert über einen Becher Bio-Hüttenkäse her.
    »Möchtest du was abhaben, Les? Es ist gut für …«
    »Ja, gern«, sagte Leslie rasch, denn heute morgen stand ihr nicht der Sinn nach einer Vorlesung über Proteine. Sie ließ sich von Emily einen Löffel Hüttenkäse auf den Teller geben. Wo waren nur die guten alten Zeiten hin, als sich Teenager von Pizza, Hamburgern und diversen Limonadengetränken ernährt hatten?
    »Wer hat denn eben angerufen?« fragte Emily mit vollem Mund. Leslie grinste. Wenigstens diese Frage war vorhersehbar gewesen.
    »Niemand. Entweder ein Kurzschluß, oder jemand hat sich verwählt und aufgelegt, ehe ich abheben konnte.«
    Emily stand am Spülbecken, beide Hände voller Vitamintabletten und Bierhefe. »Keiner dran? Vielleicht sollten wir das Telefon überprüfen lassen«, erklärte sie. »Gestern abend hat es auch ein paarmal geläutet, und es war niemand dran. Na ja, wenigstens hat dieser Spinner nicht wieder angerufen. Hattest du einen netten Abend mit Joel?« Sie schluckte den Berg Vitaminpillen herunter. Leslie sollte dankbar sein, daß ihre Schwester süchtig nach Vitaminen statt Amphetaminen war. Und kein Marihuana rauchte wie Juanita García. Juanita war in Emilys Alter gewesen; die beiden Mädchen hatten einander sogar gekannt, wenngleich sie sich in verschiedenen Welten bewegten.
    »Joel und ich haben uns

Weitere Kostenlose Bücher