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Die Hüter der Schatten

Die Hüter der Schatten

Titel: Die Hüter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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verweisen.
    »Können Sie mir helfen, Verbindung zu Colin aufzunehmen, Claire?« Jetzt wünschte Leslie von ganzem Herzen, einen Teil der Ausbildung genossen zu haben, über die diese beiden verfügten, die Schlüsselworte zu kennen, die es geben mußte. »Claire«, sagte sie, »es geht um Leben und Tod.«
    Sie hörte, wie die ältere Frau scharf Atem holte, doch Claire vergeudete keine Zeit mit Fragen. »Ich gebe Ihnen die Nummer seiner Wohnung«, gab sie prompt zurück. »Haben Sie etwas zu schreiben?«
    Hastig kritzelte Leslie die Zahlen auf ein Stück Papier, wählte und vernahm Augenblicke später Colins ruhige, gelassene Stimme.
    »MacLaren.«
    »Colin, ich bin’s, Leslie Barnes. Es ist etwas Furchtbares geschehen …«
    »Am besten kommen Sie gleich zu mir«, meinte Colin begütigend. »Über solche Dinge möchte ich lieber nicht am Telefon reden. Wo sind Sie im Moment?«
    »In Twin Peaks.«
    »In Simons Wohnung? Gut, dann erkläre ich Ihnen, wie Sie von dort aus hierher finden«, sagte er ohne eine Spur von Erstaunen. »Ich warte auf Sie und lasse Sie ins Haus.«
     
    Ein heruntergekommenes Treppenhaus führte zu Colins Wohnung, die sich jedoch als blitzsauber und erstaunlich hell erwies. Überall stapelten sich Bücher und Manuskripte. Leslie vermutete, daß der Verkauf okkulter Bücher nicht besonders einträglich war. Es war ein erstaunlicher und zugleich unbehaglicher Gedanke, daß sie im Vergleich zu Colin wohlhabend war. Colin bat Leslie herein, bereitete umständlich Tee zu und ließ sie auf einem Stuhl Platz nehmen, von dessen Sitzfläche er rasch einen Bücherstapel nahm.
    Dann erblickte Leslie etwas, das ihr augenblicklich die Befangenheit nahm: In einer Zimmerecke stand ein niedriges Tischchen, das aus der herausgesägten Scheibe eines Redwood-Baumstamms gefertigt war. In der Mitte brannte eine Kerze, umgeben von verschiedenen Gegenständen – einer sah aus wie ein malayischer Kris, ein langes Messer mit wellenförmig geschliffener Klinge –, unter denen sich auch die vertrauten Elemente Erde, Wasser, Luft und Feuer befanden. Grundsätzlich unterschied dieses Arrangement sich nicht von Simons Altar oder Leslies eigenem; die Symbole waren die gleichen. Das Symbol ist nichts, die Wirklichkeit ist alles. Waren Colins und Simons Welten im Grunde dieselben, wobei die Unterschiede lediglich eine Frage der Gewichtung darstellten?
    Wieder durchfuhr Leslie der Gedanke, daß ihre Geschichte völlig verrückt klang. Bestimmt würde Colin ihr raten, sich in die Behandlung eines ihrer Kollegen zu begeben. Dann warf sie einen weiteren Blick auf den Altar. Nein, er würde sie verstehen.
    »Ich weiß nicht, wieviel Claire Ihnen schon erzählt hat …«
    »Auch wir besitzen ein Berufsethos, genau wie Sie, Leslie. Sie hat mir gar nichts verraten. Aber ich kenne Simon seit seiner Geburt. Seine Mutter Dorothea war meine Cousine und Simon mein Patenkind. Für jeden Menschen, der … unseren Glauben teilt, bedeutet das weit mehr, als einen silbernen Taufbecher zu schenken. Dorothea war eine Zeitlang ein ziemlich labiler Mensch. Ich dachte immer, daß Simon aus anderem Holz geschnitzt sei, und wäre sein Unfall nicht dazwischengekommen, wäre vielleicht auch alles gutgegangen. Ich habe mir in letzter Zeit große Sorgen um ihn gemacht. Erzählen Sie mir davon, Leslie.«
    Sie vergrub das Gesicht in den Händen. Simon hatte ihr alles, was sie nun berichten mußte, unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut. Doch als sie den Kopf hob und in die Augen des alten Mannes blickte, verflogen ihre Zweifel.
    Ich spreche zu einem Priester. Nein, in diesem Leben ist er keiner, aber darauf kommt es nicht an.
    »Simon hat mir erzählt, als Junge habe er mit Tieropfern experimentiert«, begann sie, »um Macht zu hervorzubringen …«
    »Das weiß ich alles, ja. Was noch?«
    Ruhig hörte er sich ihre Geschichte an. Doch als Leslie von ihrem Alptraum sprach und Simons Worte wiedergab – die Frau hatte wiederholt versucht, sich umzubringen –, hob Colin den Blick und schaute ihr in stummer Entrüstung in die Augen, und Leslie hatte das Gefühl, für etwas Unverzeihliches um Verzeihung bitten zu wollen. Colin hat mich immer schon durchschaut, dachte sie und fragte sich dann, was sie damit gemeint hatte. Stockend erzählte sie ihm von Chrissy, zeigte ihm schließlich die Kinderjacke und verstummte. Sie kam sich vor wie auf der Anklagebank.
    »Und Sie glauben, er hat diese Chrissy entführt, um sie zu opfern.«
    Leslie kämpfte mit

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