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Die Hüter der Schatten

Die Hüter der Schatten

Titel: Die Hüter der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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liegen. Oder in der Gewalt irgendeines … Psychopathen.«
    Die ganz besondere Hölle, die Müttern von Töchtern vorbehalten ist.
    »Ich werde es versuchen, Susan. Ich rufe Sie zurück«, sagte Leslie. »Aber jetzt sollten Sie Ihre Telefonleitung freihalten, für den Fall, daß die Polizei das Mädchen gefunden hat und Sie zu erreichen versucht. Ich melde mich nachher bei Ihnen.«
    Leslie hatte nicht geahnt, daß Susan offenbar die ganze Zeit von ihren hellseherischen Fähigkeiten gewußt hatte. Immer noch setzte sie ihre Gabe nur äußerst widerwillig ein, doch nach den letzten Monaten in diesem Haus hatte sie sich zumindest damit abgefunden, übersinnliche Fähigkeiten zu besitzen. Sie war dazu berufen, und Alisons Vorbild hatte sie ermutigt, diese Tatsache zu akzeptieren.
    Doch es fiel Leslie schwer, ihre Vorstellung von der Frau, die sie in dieses Haus geführt und – wie sie inzwischen wußte – auf unmerkliche Weise geleitet hatte, mit jener Alison in Übereinstimmung zu bringen, die Simon aus dem Jenseits bösartige Streiche spielte.
    Wenn Leslie so aufgewühlt war wie jetzt, konnte sie ihre medialen Fähigkeiten nicht einsetzen. Nach einiger Zeit trat sie leise vor den Altar in ihrem Schlafzimmer, doch sie betete nicht. Über die Gebete ihrer Kindheit war sie hinausgewachsen, und neue hatte sie noch nicht entdeckt. Sie nahm Platz und blieb still sitzen, bis sie ruhiger geworden war. Dann öffnete sie ihre Sinne, wie sie es bei Phyllis Anne Chapman und Chloe Demarests Sohn getan hatte, und versuchte, ein Bild von Christina Hamilton zu empfangen.
    Das Mädchen war am Leben. Das erste Bild, das Leslie sah, war Chrissys leeres Gesicht mit den ausdruckslos blickenden Augen, dem schlaffen Mund und dem strähnigen Haar. Das Mädchen lag auf einer mit weißem Plüsch bezogenen Couch. Ihre Hände waren gefesselt.
    Und nicht weit entfernt saß Simon Anstey auf einem Stuhl und blickte mit unerbittlicher Strenge auf das Mädchen hinunter.

24
     
     
    Leslie war so schockiert, daß sie aufsprang. Sie wußte nicht, daß sie schrie, ehe sie ihre eigene Stimme hörte. »Nein, Alison! Das kannst du mir nicht weismachen! Niemals!«
    Doch vor ihrem inneren Auge stand immer noch wie eingebrannt das Bild von Simon, der auf Christina starrte.
    Warum?
    Mehr als einmal hatte Simon erklärt, Chrissy sei nutzlos, ja, ihr Leben sei weniger wert als das von Alisons weißer Katze. Und Leslie war sich zumindest unbewußt darüber im klaren gewesen, daß Simon ein weiteres Menschenopfer vorbereitete – in dem Glauben, dadurch die vollständige Heilung seiner Hand zu bewirken.
    Emmie hat Simons menschenverachtende Meinung über Christina geteilt, und nun versucht er, vermittels Emily Magie zu wirken … er hatte sie hypnotisiert, hatte sie zu einer Logensitzung mitgenommen, bei denen irgendwelche Jungfräulichkeitsrituale eine Rolle spielten …
    Und Chrissy hat Simon zum Opfer erkoren wie damals die drogensüchtige Prostituierte, weil er auch sie als wertlos für die Gesellschaft betrachtet …
    Leslie stürmte die Treppe hinunter. Erst als ihre Hand auf dem Türknauf des Ateliers lag, fiel ihr wieder ein, daß Simon den einzigen Schlüssel besaß. Sie versuchte, mit Hilfe ihre übersinnlichen Wahrnehmungsfähigkeit ins Innere des Raumes zu schauen, und sah für den Bruchteil einer Sekunde das Bild vor Augen, das sie vor längerer Zeit in diesem Raum erblickt hatte … Simon, der mit zur Anrufung erhobenen Händen dastand. Dann wurde Leslies Vision von einer Woge der Verzweiflung fortgespült, die sie zu ersticken drohte.
    Wie können Sie es wagen, meinem wunderschönen Haus so etwas anzutun, diesem Ort, den ich so liebe?
    Verdutzt erkannte Leslie, daß sie schon einmal so empfunden hatte. Hatte auch Alison dieses Gefühl gehabt? Hatte dieses Wissen sie bewogen, ihren Protege und Schüler Simon zu enterben, der ihr Nachfolger werden und ihre Kräfte erben sollte?
    Leslie brachte es nicht über sich, Susan anzurufen. Sie zögerte sogar, die Polizei zu verständigen. Hätte sie Chrissy in der Gewalt einer anderen Person gesehen, hätte sie sich sofort an die Beamten gewandt. Doch sie war sich noch immer nicht sicher, ob die Behörden einen Irrtum begangen hatten, als sie Simon nach dem Tod von Alison Margrave verhörten. Schließlich hatte Simon zu dem Zeitpunkt, als Alison starb, im Krankenhaus gelegen und sich einer Operation unterzogen.
    Aber Simon ist ein Mörder. Zumindest einmal hat er einen Menschen getötet …
    Leslie erkannte,

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