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Die Hueterin der Geheimnisse

Die Hueterin der Geheimnisse

Titel: Die Hueterin der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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sie taten. Doch daran konnte er nichts ändern. Er erinnerte sich daran, wie Doronit gesagt hatte: »Konzentrier dich auf Dinge, die du ändern kannst.« Sie hatte Recht gehabt. Er musste sich darauf konzentrieren, Flax und sich selbst sicher in die Tiefe zu führen. Immerhin kürzte dieser Pfad ihre Reisezeit erheblich ab. Wenn sie erst einmal von dem Plateau herunter waren, würde es nur noch ein zweitägiger Ritt bis Gabriston sein. Und dahinter begann die Tiefe.
    »Wie bist du vorhin auf die Lüge gekommen?«, fragte er nach längerem Schweigen.
    »Was für eine Lüge?«
    »Dass du der reiche Sohn des neuen Bluts wärst.«
    Flax lachte. »Das war eine gute Idee, nicht wahr? Ich kann
mich als einer der ihren ausgeben, genau wie mein Papa. Kommt einem manchmal ganz gelegen.«
    Ash konnte sich vorstellen, wie seine Mutter darauf reagieren würde. Sie verachtete Wanderer, die sich als Actons Leute ausgaben. Sie kam ihnen immer auf die Schliche, und wenn sie auf jemanden trafen, der dies vorgab, hatte Ash sie dies missbilligend kundtun hören. Ein derartiges Versteckspiel hieß sie nicht gut. Seine Miene nahm harte Züge an. Nun, es stand ja auch nicht ihr Leben auf dem Spiel, oder? Indem sie ihn Doronit übergab, hatte sie jedes Recht verwirkt, ihm vorzuschreiben, was er tun und lassen sollte. Es war Zeit für ihn, seine eigenen Entscheidungen zu treffen.
    »Ich denke, wir sollten die Nummer beibehalten«, sagte er.
    »Aber klar doch«, entgegnete Flax ruhig, »vielleicht bekomme ich dich ja sogar dazu, mir die Stiefel zu putzen!«
    Ash musste unfreiwillig lachen. So nahe daran, Flax zu mögen, war er noch nie gewesen. »Schutzwachen sind ausgebildete Fachleute, das werde ich dich spüren lassen«, sagte er mit gespielter Strenge. »Wir putzen keine Stiefel.«
    »Was für eine Schande.« Grinsend legte Flax den Kopf auf Cams Sattel und machte es sich darauf bequem. »Du kannst die erste Wache übernehmen.«
    Ihn fast zu mögen hielt nicht lange an, dachte Ash. Verwöhntes Balg. Aber in Flax’ Sorglosigkeit, in seiner Unverwüstlichkeit nach den Schrecken der Nacht lag etwas Tröstliches. Ash lockerte sein Messer, für alle Fälle, und schaute dann zu, wie der Mond unterging und sich totale Finsternis ausbreitete.

    Bei Tageslicht war das Plateau nach wie vor eindrucksvoll; vom Wind geformte Felsen, die das Aussehen gebeugter Gestalten, sich krümmender Wellen und sich zum Himmel reckender
Flammen angenommen hatten. In Felsvertiefungen fanden sie Wasser zum Trinken, aber zu essen hatten sie nichts, und als die Sonne im Zenit stand, knurrte Ash der Magen.
    Schließlich erreichten sie den Rand des Plateaus und sahen, wie sich unter ihnen die Far North Domain erstreckte. Weizenfelder glänzten golden in der Sonne. Als sie das Plateau allmählich verließen, spürte Ash, wie ihn tiefe Erleichterung erfüllte. Endlich waren sie aus der Wildnis heraus und vor den Windgeistern sicher. Flax grinste ihn an, und die Erleichterung spiegelte sich auch auf seinem Gesicht wider.
    Der Weg bergab war genauso tückisch wie der bergauf, doch als sie die Talsohle erreichten, war es beinahe eine Enttäuschung. Sie stießen auf einen kleinen Wasserfall, der über die Felsen tröpfelte, und sanken zu Boden, um eine Pause einzulegen, während die Pferde soffen. Ashs Beine waren wie aus Pudding, sodass er sich fast darauf freute, wieder auf Mud zu sitzen.
    Sie waren in ein breites Tal abgestiegen, auf dessen gepflügten Feldern sich die ersten Triebe zeigten. Das hier, die Far North Domain, war eine Kornkammer. In dieser Gegend hatte sich Ash zwar nicht häufig aufgehalten, aber er kannte sie doch so gut, dass er wusste, dass der Snake River durch das Tal floss, so genannt wegen seines sich krümmenden und windenden Flussbettes. Entlang seiner Windungen, die sich manchmal selbst entgegenkamen, befanden sich Dörfer, die an drei Seiten durch Wasser geschützt waren. Dadurch aber waren sie von Überschwemmungen bedroht, sodass die Siedler ihre Häuser auf Steinsäulen erbaut hatten, unter denen sich Hühnerstangen und Kaninchenställe befanden. Neben den Wohnhäusern standen, durch fußhohe Stege miteinander verbunden, Speicher aus Stein.

    Ash und Flax ritten über den durch tiefe Wagenspuren in Mitleidenschaft gezogenen Weg, der hier eine Hauptstraße war. Dabei kamen sie an einem Bauernhof nach dem anderen vorbei, an denen wild dreinblickende Katzen sie von Scheunentoren aus anfauchten, Terrier ihnen kläffend hinterhersprangen und

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