Die Hueterin der Geheimnisse
Horst im Auge.
»Was hast du getan?«, fragte Flax.
Diese Frage stellte Ash sich selbst auch. Dass die Windgeister derartig reagieren würden, war ihm nicht in den Sinn gekommen; er hatte lediglich gehofft, die Information werde genügen, um einen Handel abzuschließen. Nervös leckte er sich die Lippen. Er wusste, dass ihm diese Sache Ärger einbringen würde, aber von wem, wusste er nicht.
»Ich … Ich weiß es nicht. Immerhin sind wir noch am Leben. Brechen wir auf, bevor sie zurückkehren.«
Diese Worte drangen zu Horst durch. Mühsam richtete er sich auf und stellte sich Ash entgegen. »Du hättest mich ihnen zum Fraß vorwerfen können. Dann wärst du in Sicherheit gewesen.«
Ash zuckte mit den Schultern. Was sollte er sagen? In der Dunkelheit war Horsts Gesicht schwer zu erkennen, doch in seiner Stimme schwangen zwiespältige Gefühle mit: Verwirrung, Dankbarkeit, Wut. Auch Ash wäre so zu Mute gewesen, wenn ihm ein Feind das Leben gerettet hätte.
»Ich kann dich nicht laufen lassen«, sagte Horst widerwillig. »Es ist meine Pflicht gegenüber meinem Herrn, dich zurückzubringen. Oder zu töten.«
Ash fühlte sich hundemüde. »Töte mich, wenn du willst, aber du befindest dich nach wie vor im Golden Valley, und das ist hier Mord, da hier nicht das Recht eines Kriegsherrn gilt.«
Horst zögerte. Ash wünschte, er hätte besser sehen können, doch das Sternenlicht war matt und wurde von großen Wolken verdeckt.
»Ich muss dich mit zurücknehmen«, sagte Horst schließlich.
»Das kannst du nicht«, sagte Ash. »Wir sind zu zweit und beide bewaffnet. Wir haben Pferde, du nicht. Du bist verwundet. Du hast keine Chance, uns beide festzunehmen und den Hang dieses verdammten Berges hinunterzuzerren, ohne dass einer von uns dir dabei mit einem Stein den Schädel einschlägt. Außerdem sollte auch dein Herr die Neuigkeit erfahren, die wir den Windgeistern mitgeteilt haben. Es gibt einen Zauberer, der Geister erweckt und ihnen körperliche Gestalt verleiht. Das sollte dein Herr wissen.«
Die nun folgende Pause, während der Horst überlegte, schien ewig zu dauern. Ash bemerkte, dass Flax leise um die Seite der Pferde trat und versuchte, im Falle eines Kampfes hinter Horst zu gelangen. Plötzlich fegte der Wind durch eine Spalte in den Felsen und verursachte dabei ein Geräusch wie ein Windgeist, sodass sie allesamt zusammenzuckten. Horst stieß einen tiefen Seufzer aus.
»Du bist immer noch ein Mann, der gesucht wird«, sagte er. »Ich kann dir den Mord an Sully nicht verzeihen.«
Ash nickte. »Meinetwegen«, sagte er.
Horst drehte sich in die Richtung, aus der er gekommen war. Dann hielt er inne. Mit Mühe brachte er hervor: »Danke.« Dann ging er mit gesenktem Kopf davon.
Flax trat an Ashs Seite und schlug ihm auf die Schulter. »Lass uns von hier verschwinden«, sagte er.
Das war wegen der Dunkelheit leichter gesagt als getan. Ash und Flax wechselten sich damit ab, vor demjenigen zu gehen, der die Pferde führte. Der Vorangehende stocherte dabei mit einem Stock auf dem Boden herum, um sich zu vergewissern, dass er fest war und sie nicht kopfüber in einen Abgrund stolpern würden oder sich eines der Pferde in einem Loch die Knochen brechen würde. Die ganze Zeit über verstärkte sich der Wind und klang zunehmend so, als kehrten die Windgeister zurück. Schließlich waren sie beide
schweißnass vor Anspannung und Konzentration. Kurz vor Monduntergang beschloss Ash, dass sie eine Stelle finden mussten, wo sie den Rest der Nacht verbringen konnten.
Sie stießen auf einen Ring aus großen Geröllblöcken, in dessen Mitte sich eine geschützte Stelle sowie ein kleiner Überhang befanden, wo sie lagern konnten. Sie waren froh, ihren Rücken gegen etwas Festes lehnen zu können, froh, aus dem Wind zu sein, aber dennoch nicht gewillt zu schlafen. Für den Fall der Fälle. Die Pferde hingegen beruhigten sich, sobald sie diese in den Kreis der Felsen führten, und Ash beschloss, das als Zeichen dafür zu deuten, dass sie sich in Sicherheit befanden. Als sie die Pferde absattelten und striegelten, ließ der staubige Geruch ihres Fells und die vertraute Art, wie Mud ihre Position verlagerte, um Ash von einer Seite auf die andere treten zu lassen, ein Gefühl der Sicherheit entstehen, das auch Ash ruhig werden ließ.
Sie tranken schweigend, während die Pferde Regenwasser in Vertiefungen schlürften und das harte Gras mit den Lippen abzupften. Ash fragte sich, wo diese Windgeister wohl gerade waren und was
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