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Die Hueterin der Geheimnisse

Die Hueterin der Geheimnisse

Titel: Die Hueterin der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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es wagte, schritt er durch die Felsspalte. Der Strom drückte ihm gegen die Stiefel, jedoch nicht so heftig, dass er gestürzt wäre; auch schwoll der Strom auf halbem Weg nicht plötzlich an. Dass so etwas geschehen konnte, hatte Ash bereits erlebt, und zwar bei einem dürren Freund seines Vaters, einem Geschichtenerzähler. Die Leiche des Mannes wurde nie gefunden.
    »Der Fluss schützt sich und uns«, hatte sein Vater daraufhin gesagt, wie um sich selbst gut zuzureden. Aber wovor der Fluss sich schützte, hatte ihm niemand gesagt.
    Am äußersten Rand des Wasserfalls mussten sie abbiegen und sich auf einem schmalen Sims entlangschlängeln. Er führte zu einer weiteren Spalte, hinter der sich noch eine Schlucht auftat. Vorsichtig traten sie durch die Spalte und
bahnten sich einen Weg in die Schlucht hinab und von dort wieder auf einen weiteren Sims. Ash hörte, dass Flax schwer atmete. Er erinnerte sich an das erste Mal, als er hier entlanggegangen war oder einen ähnlichen Weg, denn es war nie zweimal derselbe. Die körperliche Gefahr war nicht so schlimm gewesen wie die Bedrohung durch das Unbekannte, durch die in der Dunkelheit wartenden Dämonen.
    Als habe der Gedanke sie herbeigerufen - und vielleicht hatte er das -, hörten sie plötzlich die Dämonen heulen. Das Geräusch ähnelte dem Heulen von Wölfen, und es klang unmenschlich. Flax geriet ins Stolpern, und Ash streckte die Hand aus, um ihn gegen die sichere Klippenwand zu drücken. Sie blieben einen Moment stehen und lauschten dem Kummer und Hunger in dem Dämonengeheul. Sie zitterten beide.
    Jenseits dieser Schlucht war eine weitere, und nach dieser kam die nächste. Die Schluchten wechselten ständig die Richtung und waren verschlungen, und Ash wusste, dass es zwecklos war zu versuchen, sich an ihren Verlauf zu erinnern, dennoch versuchte er es trotzdem.
    Endlich gelangten sie an eine große, von Felswänden umgebene Stelle, die mit Höhlen und Rissen durchzogen war. In einer dieser Höhlen war das Flackern eines Feuers zu erahnen. Auf den Höhlenwänden und dem ausgetretenen Erdboden der Lichtung spiegelten sich tänzelnde Schatten wider. Das plötzliche Gold und Orange des Lichts war fast schon zu hell für ihre an die Dunkelheit gewöhnten Augen.
    Flax verschlug es den Atem. Hinter Felsen, aus Spalten und Höhlen traten Gestalten aus der Finsternis hervor. Nackt, männlich, mager und robust, groß und klein, alle mit dunklem Haar auf ihren Armen und Körpern. Die Körper schienen mit Streifen von Blut bemalt zu sein. Aber es waren ihre Gesichter, die ihm den Schrecken eingejagt hatten,
wusste Ash. Er erinnerte sich an das erste Mal, als er mit diesen zähnefletschenden Schnauzen, scharfen Zähnen und Tieraugen konfrontiert worden war. Jeder Mann trug den Kopf eines Tieres: Dachs oder Otter, Fuchs oder Hirsch, unterschiedlich, aber allesamt wilde Tiere. Kühe, Schweine oder Schafe befanden sich nicht darunter. Eine Wildkatze ja, aber keine Hauskatzen, ein Wolf schon, jedoch kein Hund.
    Er wusste, was Flax durch den Kopf ging: Masken, es mussten doch sicher Masken sein? Aber das war es nicht. Natürlich nicht. Was sollte es bringen, nur so zu tun, als ob? Sich alberne Kleider anziehen, den Körper bemalen - das wäre kein Werk für Männer.
    Die Dämonen rückten allmählich näher, und in den Händen hielten sie Steine; Feuersteine, scharf wie Messer. Flax’ Atem ging nun schneller und flacher. Er war kurz davor, Reißaus zu nehmen. Beruhigend legte ihm Ash eine Hand auf den Arm.
    »Wir sind Mitglieder des Bluts«, rief er den Dämonen zu. »Ich bin Ash, Sohn von Rowan, dessen Blut das Wasser beruhigt hat.« Er stieß Flax leicht an. Der musste sich erst einmal räuspern, bevor er reden konnte.
    »Ich bin Flax, Sohn von Gorham … dessen Blut das Wasser beruhigt hat.«
    Die Hände, welche die Steine hielten, entspannten sich und hingen nun entspannt an den Körpern der Männer herab. Einer von ihnen, ein Dachs, trat vor und legte Ash die Hände auf die Schultern. Ash schaute tief in die dunklen Augen, die im Schein des Feuers orangefarben funkelten. Er atmete den scharfen Geruch des Dachses ein. Ein Wirbel an Gefühlen überkam ihn; Wut, Glück, Groll, Liebe.
    »Feuer und Wasser, Vater«, sagte er.

Bramble
    Ein Marschlied im Tempo eines Klagegesangs erklang in ihrem Kopf - in Baluchs Kopf. Trotz der grimmigen Kälte verspürte Bramble Erleichterung darüber, wieder in Baluch zu sein. Ihr Sehvermögen stellte sich langsam ein, doch ihr gesamtes

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