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Die Hueterin der Geheimnisse

Die Hueterin der Geheimnisse

Titel: Die Hueterin der Geheimnisse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Freeman
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Sichtfeld wurde von blendendem Weiß erfüllt. Schnee, überall. Rauer Untergrund unter den Schuhen, unsichtbar unter dem Schnee. An der einen Seite befanden sich Klippen, ein felsiger, weißer Hang an der anderen. O Götter, dachte Bramble. Wir gehen wieder über den Todespass! Auf dem Hang lag tonnenweise Schnee, der beim leisesten Geräusch herunterkrachen und sie alle unter sich begraben würde. Auch wenn Bramble wusste, dass die Angreifer - die Eindringlinge - unbeschadet davonkamen, machte der Anblick dieser Schneelast sie trotzdem nervös. In seiner ohne auf Rang und Namen achtenden Feindseligkeit wirkte er auf die gleiche Art bedrohlich wie der Eiskönig. Die Stille war zum Greifen; die Männer mühten sich so langsam durch den Schnee, dass selbst Baluchs scharfe Ohren nur ein leises Rascheln bei jedem Schritt vernahmen.
    Acton ging vor Baluch, sein goldenes Haar verhüllt durch einen Hut und einen Schal; seinen Schild hatte er sich über die Schulter gehängt, doch während er langsam durch den brusthohen Schnee stakte, war sein Rücken unverwechselbar. Bramble erschrak, wie vertraut ihr der Anblick von Actons
Rücken geworden war. Baluch konnte das Profil des Mannes neben Acton sehen; es war Asgarn, was Bramble irgendwie überraschte. Asgarn hatte nicht wie jemand gewirkt, der sich freiwillig für eine solch riskante Sache meldete. Vielleicht suchte sich der Kriegsherr seine Männer aus. Ein Teil von Bramble fand es amüsant, dass Asgarn sich in den eigenen Schlingen verfangen hatte. Dann fragte sie sich, warum sie davon ausging, dass Asgarn Fallen ausgelegt hatte, und wieso sie ihn schlichtweg nicht leiden konnte.
    Acton und Asgarn gingen voraus, genau wie es in allen Balladen beschrieben wurde. Die beiden gedrungenen Männer kämpften sich langsam und leise durch die Kluft zwischen Klippe und Hang auf das Dreieck des absurd blauen Himmels zu. Bramble hatte sich in ihrer Phantasie diesen Tag immer wolkig und grau ausgemalt, aber es war ein herrlicher Tag, frisch und sonnig.
    Der Mann neben Baluch stolperte und fuchtelte Halt suchend mit der Hand durch die Luft. Baluch packte sie und brachte ihn wieder ins Gleichgewicht. Der Laut des Erschreckens, den der Mann unwillkürlich ausgestoßen hatte, klang übermäßig laut, und die gesamte Gruppe verharrte entsetzt mitten in der Bewegung. Ein dünnes Rinnsal Schnee glitt von einem Fels auf dem unteren Hang herab. Alle warteten gespannt ab. Baluch betete, um sich den Göttern zu öffnen, wie Bramble erkannte, doch die Götter lehnten es ab zu kommen. Ein scheinbar ewig währender Moment der Angst packte die Gruppe, bevor das Rinnsal Schnee verebbte.
    Sie setzten sich erneut in Bewegung, trotz der Kälte nun noch langsamer als zuvor. Baluchs Hände und Füße fühlten sich taub an, nur seine Wangen brannten, und sein Mund schmerzte jedes Mal, wenn er Atem schöpfte. Eine Weile schien es, als sei das Ende des Passes noch so weit entfernt wie eh und je und als würden sie auf ewig durch die schneidende
Kälte stapfen müssen. Doch allmählich wurde das Dreieck aus Blau größer. Bald war der Schnee nicht mehr brusthoch, sondern nur noch hüfthoch. Schließlich reichte er ihnen nur noch bis an die Oberschenkel. Dann bis an die Knie. Zuletzt erfüllte das Dreieck aus Blau den ganzen Himmel, und nun hatten sie den Pass überwunden. Sie standen an einer Abbruchkante, von der aus sie das Tal überblicken konnten, und beglückwünschten sich, indem sie sich gegenseitig auf den Rücken klopften, sprachen aber nach wie vor nicht.
    Sie blieben stumm, weil unter ihnen in dem morgendlichen Licht Hawks Gehöft stand. Aus seinen Kaminen stieg Rauch empor, doch es war noch niemand zu sehen. Wachen waren keine aufgestellt worden. Zu Beginn des Frühlings war das Gehöft unbewacht, weil der Death Pass sein natürlicher Schutz war. Leise zog Acton sein Schwert und nahm seinen Schild auf den linken Arm. Die anderen taten es ihm gleich. Acton nickte ihnen zu, allen fünfzig, und gab Baluch einen Klaps auf den Arm. Einen Augenblick lang war seine Miene ernst, aber dann grinste er sie an, die Freude auf die Schlacht spiegelte sich auf seinem Gesicht wider. Baluch lächelte unwillkürlich und hob sein Schwert. Bramble spürte die Spannung in ihm, doch auch die Erregung, mit der in diesem Moment ein Gefühl grimmiger Entschlossenheit einherging. Acton erkannte sie in seinem Gesicht, und seine Augen verdunkelten sich. Er nickte.
    »Lasst uns unsere Rache nehmen«, sagte er so leise, dass

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