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Die Hueterin der Krone

Die Hueterin der Krone

Titel: Die Hueterin der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Chadwick
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würde.

4
    Hafen von Barfleur, Normandie, September 1126
    Fröstelnd sah Matilda zu, wie der Abstand zwischen dem Kai von Barfleur und dem Deck, auf dem sie stand, immer größer wurde, und schlang ihren Umhang enger um sich. Von weißen Kämmen gekrönte Wellen rollten auf sie zu, und hinter der Hafenmündung bildete das Meer eine wogende graue Masse. Gischt schäumte um den Bug der königlichen Galeere, und der Wind blähte die quadratischen Segel, sodass der darauf gemalte riesige rote Löwe zu brüllen und die Klauen zu zeigen schien.
    Mit acht Jahren war sie das letzte Mal an Bord eines Schiffes gegangen, um das Meer zu überqueren. Unweigerlich musste sie an die letzte Reise ihres Bruders denken, die in diesem Hafen begonnen hatte. Sein Leben war zu Ende gegangen, bevor es richtig begonnen hatte, als das Schiff in einer schwarzen Novembernacht auf einen Felsen in der Hafenmündung auflief und sank. Jetzt war es Tag und die Situation eine andere, doch obwohl sie den Kopf hob und versuchte, majestätische Würde auszustrahlen, wurde sie ihrer Angst nicht Herr.
    Brian FitzCount gesellte sich zu ihr.
    »England wird noch vor Sonnenuntergang in Sicht kommen«, bemerkte er. »Vor allem, wenn die Windverhältnisse so bleiben.«
    »Für Euch muss die Überfahrt ja schon Routine sein, Mylord.«
    »Das schon, aber ich bin trotzdem immer wieder froh, festen Boden unter den Füßen zu haben. Bei günstigem Wind wie heute ist es nicht so schlimm.« Ein Lächeln schlich sich in seine Stimme. »Außerdem stehen wir heute ja zusätzlich unter dem Schutz der Hand des heiligen Jakob.«
    »Ihr macht Euch doch hoffentlich nicht über mich lustig?«
    »Das würde ich nie wagen, Herrin.« Seine dunklen Augen funkelten.
    Matilda hob die Brauen, sagte aber nichts. Seit ihrer ersten Begegnung hatte sie sich an seine Gesellschaft gewöhnt und genoss sie. Er war eine der Hauptstützen der Regierung ihres Vaters und ein enger Freund ihres Bruders Robert. Sie hatte oft mit ihnen und anderen bis in die Nacht hinein zusammengesessen und sich über alles Mögliche unterhalten, über die beste Methode, einen Hasen abzuhäuten, über heikle Aspekte der Kirchenpolitk oder das englische Rechtssystem, in dem Brian sehr bewandert war. Sie liebte es, ihm zuzuhören, wenn er in einer Debatte seinen Standpunkt vertrat.
    »Dies ist die nächste Etappe Eurer Reise, Herrin.« Brians Gesicht war jetzt ernst, und in seinem Blick lag eine Intensität, die sie bewog, den Kopf zu senken, bevor ein Funke zwischen ihnen überspringen konnte.
    »Und wer weiß, wo sie endet.«
    »Ich bin sicher, Euer Vater weiß es.«
    »Wie schade, dass nur er das Ziel kennt und es niemandem verrät.« Sie sah zu ihrem Vater hinüber, der mit einer Gruppe von Höflingen auf der anderen Seite des Schiffes stand. Sie hatte ihn in Rouen begleitet, wenn er Recht gesprochen und sein politisches Netz gesponnen hatte. Er hatte sie insoweit mit einbezogen, als er darauf bestanden hatte, sie an seiner Seite zu haben, aber er fragte selten nach ihrer Meinung. Letzten Monat hatte er, ohne erst mit ihr zu sprechen, Bewerber um ihre Hand aus der Lombardei und Lothringen abgewiesen. Sie hatte fast ein Jahr an seinem Hof gelebt, doch die Zeit schien wie ein Spinnennetz zwischen zwei Zweigen in der Schwebe zu hängen und darauf zu warten, dass sich etwas anderes als Staub darin verfing. Er hatte sie einfach zu sich geholt, so als sei sie eine wertvolle Sicherheit, die es in der Reserve zu halten galt.
    »Wenn wir in England sind, werden die Dinge schon ins Rollen kommen.«
    Brians beschwichtigender Tonfall reizte sie.
    »Wisst Ihr etwas, das ich nicht weiß?«
    »Nein, Herrin, nur dass Euer Vater mit einigen Leuten über dringende Angelegenheiten sprechen muss. Zum einen mit Eurem Onkel König David, zum anderen mit dem Bischof von Salisbury.«
    Matilda maß ihn mit einem zornigen Blick.
    »Noch mehr Diskussionen unter Männern. Ich bin die Tochter des Königs, und die Lords meines Vaters haben mir die Treue geschworen, und trotzdem habe ich noch immer keinen Platz und keine Stimme in der Welt!«
    »Aber das wird sich eines Tages ändern«, gab Brian ruhig zurück. »Jetzt ist die Zeit gekommen, Eure verfügbaren Resourcen zusammenzuziehen und den Boden dafür zu bereiten.«
    Würgelaute veranlassten beide, sich umzudrehen. Ein grüngesichtiger junger Edelmann übergab sich über die Seite des Schiffes. Brian grunzte. »Ich bezweifle, dass er wirklich so krank ist, es sei denn vor Angst und

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