Die Hueterin der Krone
ihm über das Kinn wie Blut.
»Herrin, ich habe schlechte Neuigkeiten. Lord Gloucester ist überwältigt und gefangen genommen worden. Was mit dem Earl of Hereford und dem König der Schotten geschehen ist, kann ich nicht sagen, ich weiß nur, dass sich ihre Männer in alle Winde zerstreut haben und geflohen sind. Ich selbst bin nur um Haaresbereite entkommen und habe mich im Wald versteckt, bis ich mich sicher wähnte …«
Die neuerliche Schreckensbotschaft jagte Matilda einen kalten Schauer über den Rücken. Sie konnte das Entsetzen auf den Gesichtern ihrer Eskorte sehen; sie war verzweifelt. Ihr oberster militärischer Befehlshaber war in Gefangenschaft geraten, sie wussten nicht, was aus den anderen geworden war – was sollten sie jetzt tun? Als Robert letzte Nacht nicht gekommen war, hatte sie schon das Schlimmste befürchtet, aber wider besseres Wissen gehofft, dass er vielleicht ein Schlupfloch gefunden hatte. Zumindest war er noch am Leben; das war ein kleiner Trost.
Der immer optimistische Reynald sagte:
»Aber die Kaiserin und auch wir sind frei und in Sicherheit, und Stephen sitzt noch immer in Bristol im Gefängnis. Auch wenn wir einen Rückschlag erlitten haben, ist der Krieg noch nicht zu Ende. Wir sind nicht besiegt.«
Aber Matilda kam sich besiegt vor. Sie wies den jungen Ritter an, sich etwas zu essen geben zu lassen, sich auszuruhen und in Devizes zu ihnen zu stoßen, sobald er dazu in der Lage war. Und dann straffte sie sich und bemühte sich, Zuversicht auszustrahlen.
»Wir werden trotzdem gewinnen«, sagte sie. »Das verspreche ich euch.« Aber sie wusste, dass ihre Worte nur Spreu im Wind waren.
Hoch aufgerichtet im Sattel verließ sie Ludgershall. Sie war immer noch die Herrin der Engländer; das konnte ihr niemand nehmen. Doch innerlich, hinter der stolzen Fassade, empfand sie einen tiefen Schmerz. Roberts Gefangennahme hatte alle ihre Pläne zunichtegemacht, denn keiner der Kommandanten konnte ihm in militärischer Hinsicht das Wasser reichen. Sie hatte London verloren, sie hatte Winchester verloren und sich selbst, ihre Verbündeten und ihren Sohn enttäuscht. Sie fühlte sich maßlos überfordert, aber sie musste durchhalten. Die Welt verschwamm vor ihren Augen und wurde weiß, sie schwankte im Sattel und hörte Brians Warnruf. Benommen registrierte sie, dass er sie auffing, spürte, wie er seine Arme um sie schlang. Sie wollte ihm versichern, dass ihr nichts fehlte, dass sie nur kurz im Sattel eingeschlafen war, aber sie brachte keinen Ton heraus. Zwar hatte sie noch nicht aller Mut verlassen, aber sie war am Ende ihrer körperlichen Kräfte angelangt.
Die Eskorte fertigte eine aus Weidenzweigen geflochtene, mit Decken und Pelzen gepolsterte Trage für sie an, banden sie darauf fest und brachten sie nach Devizes, als würden sie einen Leichnam überführen, und Matilda taumelte erschöpft in die Dunkelheit, die ihr wie eine Einöde vorkam, obwohl sie gleichzeitig unendliche Erleichterung empfand.
43
Arundel, Dezember 1141
Adeliza klammerte sich an Will, hob ihm die Hüften entgegen und kostete die Wonne aus, die durch ihre Lendengegend flutete. Er keuchte ihren Namen, nannte sie seine einzige Liebe, seine Königin, seine Seele, und sie presste ihn noch fester an sich, weil sie in diesem Moment eins waren.
Danach lag er neben ihr und streichelte ihren Körper, bis ihr Atem sich beruhigte und ihre Herzen nicht mehr so wild hämmerten. Seufzend stand er auf und kleidete sich an. Sie beobachtete ihn vom Bett aus. Vielleicht war es sündhaft, sich am helllichten Tag zu lieben, aber sie brauchte eine Bestätigung ihrer inneren Verbundenheit.
»Will …« Sie biss sich auf die Lippe.
Er drehte sich um und stellte einen Fuß auf die Bettkante, um seine Schuhschnalle zu schließen. »Ja?«
»Kannst du nicht hierbleiben?«
Er sah sie mit hochgezogenen Brauen an. »Du weißt, dass das nicht geht. Es wäre illoyal von mir, wenn ich nach Stephens Freilassung nicht bei seiner Begrüßung anwesend wäre. Solange er unser rechtmäßiger Herrscher ist, schulde ich ihm meine Treue als Untertan. Hätte Gott beabsichtigt, Matilda zur Königin zu machen, säße sie jetzt auf dem Thron.«
Adeliza wandte den Blick ab. »Es wird noch mehr Blutvergießen geben«, bemerkte sie bitter. »Noch mehr Menschen werden sinnlos getötet, noch mehr Städte gebrandschatzt.«
»Wie kann ich denn dazu beitragen, dass vernünftige Politik betrieben wird, wenn ich hierbleibe? Ich kann nur Gutes in der
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