Die Hueterin der Krone
Erfolg gehabt, während sie gescheitert war.
Robert seufzte tief. »Wenn es sich nicht vermeiden lässt, werde ich gehen. Ich kann seinen Standpunkt verstehen, auch wenn ich ihn nicht gutheiße.«
Geoffrey of Anjous meerblaue Augen fixierten seinen Schwager mit einem kalten Blick.
»Die Normandie ist der Schlüssel zu der Krone von England. Ehe sie mir nicht ganz sicher ist, wäre es töricht von mir, nach England zu kommen und meine Aufmerksamkeit zwischen beiden Gebieten aufzuteilen.«
Sie saßen an einem herrlichen Nachmittag Anfang September in einer sonnendurchfluteten Kammer in Roberts Burgfried in Caen. Schwalben schossen über den Himmel hinweg und vertilgten die letzten Fliegen des Sommers, bevor sie gen Süden zogen. Geoffrey blickte zu seinem neunjährigen Erben hinüber, der in dem goldenen Licht an einem Pult saß und sich mit Federn und verschiedenfarbiger Tinte beschäftigte, während die Männer strategische Fragen erörterten. In den durch den Fensterbogen fallenden Sonnenstrahlen funkelte sein Haar wie fein gesponnene Metallfäden.
Erst vor einer Woche hatte Geoffrey Stephens Burgvogt die Burg Mortain entrissen. Seine Feldzüge waren erfolgreich gewesen. Auch Tinchebrai und Vire waren gefallen, ebenso wie ein halbes Dutzend anderer Burgen. »Eine letzte Anstren gung, und ich habe die Normandie für meinen Sohn und Erben gesichert«, sagte er. »Wenn ich meinen Wirkungskreis jetzt ausweite, mache ich alle meine Bemühungen zunichte – alles, was ich erreicht habe, und das ist nun wirklich oft genug passiert …« Er sah, wie Robert die Lippen zusammenpresste. Geoffrey hatte nichts gegen seinen Schwager. Er fand Robert ziemlich steif und gesetzt, aber er war intelligent, ein guter Feldherr, was er auf einigen Feldzügen in der Normandie in diesem Sommer bewiesen hatte, und Matilda gegenüber von unerschütterlicher Loyalität. Seine Ausdauer und Zähigkeit nötigten ihm Bewunderung ab. »Ich will dich nicht kritisieren«, fuhr er ruhig fort. »Ich weiß, wie schwierig und eigensinnig meine Frau sein kann, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, und du hattest schon genug Pech und musstest dich mit verräterischen Baronen und Prälaten herumschlagen. Aber ich habe nichts davon, wenn ich nach England komme, außerdem wäre es gefährlich. Die englischen Barone würden über den angevinischen Emporkömmling murren, und meiner Frau wären zwar meine Männer und mein Geld willkommen, aber an mir liegt ihr nichts. Wenn ihr jetzt schon Probleme habt, euch die Loyalität der Männer zu sichern – was glaubst du, wie schwer euch das erst fiele, wenn Matildas angevinischer Ehemann mit von der Partie wäre?«
Roberts Miene verfinsterte sich. »Wenn das dein Standpunkt ist, war es dumm und überflüssig, mich in die Normandie zu bestellen. Du hättest mir das alles auch brieflich mitteilen können. Mit jedem Tag, an dem ich nicht vor Ort bin, wird die Lage in England prekärer.«
Geoffrey zuckte die Achseln. »Ich musste wissen, was genau dort vor sich geht, und an wen sollte ich mich deshalb wenden, wenn nicht an den Bruder meiner Frau? Briefe und Boten sind ja gut und schön, aber man erfährt längst nicht alles. Ich habe seit drei Jahren keinen direkten Kontakt mehr zu Matilda, und in dieser Zeit war ihr die Krone zum Greifen nah, und sie hat sie anscheinend durch ihre eigene Halsstarrigkeit wieder verloren. Wenn ich England Männer und Geldmittel zur Verfügung stellen soll, muss ich sicher sein, dass sich vor mir kein Fass ohne Boden auftut. Außerdem bin ich nicht geneigt, selbst nach England zu kommen, nachdem ich dich hier als Feldherrn erlebt habe.«
Robert erstarrte.
»Du hast mich falsch verstanden«, wehrte Geoffrey ab, obwohl das Glitzern in seinen Augen verriet, dass er Robert mit Absicht einen Köder hingeworfen hatte. »Du bist ein überaus fähiger General, und du würdest eine Einmischung meinerseits auf deinem Terrain nicht dulden. Wenn wir ganz aufrichtig zueinander sind, müssen wir doch zugeben, dass du mich genauso wenig in England sehen willst, wie es mich dorthin zieht.«
»Ich könnte gehen«, meldete sich Henry von seinem Pult her zu Wort. »Ich werde schließlich einmal König von England, ich sollte jetzt dort sein. Es ist nicht richtig, dass Mama kämpfen darf und ich nicht!«
Geoffrey musterte seinen frühreifen Sohn mit belustigtem Stolz. »Ach ja?«
Henry nickte, stand auf und brachte seinen Pergamentbogen zu seinem Vater und seinem Onkel.
Geoffrey betrachtete
Weitere Kostenlose Bücher