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Die Hueterin der Krone

Die Hueterin der Krone

Titel: Die Hueterin der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Chadwick
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die Zeichnung einer unter Belagerung stehenden Burg. Pfeile flogen über einen Graben hinweg, aus menschlichen Körpern flossen Blutströme durch das Metallgeflecht der Kettenhemden, und Männer schleuderten Steine von der Brustwehr. Ein blaues Band sollte offenbar einen Fluss darstellen, denn es schwammen Fische darin. Henry erklärte die Schwächen der Verteidigungsanlagen und erläuterte, wie er die Burg belagern und einnehmen würde. »Das ist der Tower von London«, beendete er seine Ausführungen.
    »Aber du hast den Tower von London noch nie gesehen.«
    »Dann wird es höchste Zeit.«
    Geoffrey kicherte leise, wurde dann aber ernst und schüttelte den Kopf. »England ist ein gefährliches Pflaster. Wenn ich dich gehen ließe, wärst du dort nicht sicher.«
    »Man ist nirgendwo ganz sicher«, wandte Robert barsch ein. »Wenn wir ihn nach England brächten, könnte das eine entscheidende Wende herbeiführen. Wir müssen den Leuten klarmachen, dass dieses Kind die größte Hoffnung für ihre Zukunft darstellt. Er hat ja jetzt schon die Ausstrahlung eines Königs.«
    Geoffrey runzelte die Stirn. Es widerstrebte ihm, dieses Gespräch fortzuführen. Er hatte oft gehört, wie glänzend England zu Zeiten des alten Königs Henry dagestanden hatte – es hatte Frieden geherrscht, das Land war fruchtbar gewesen, und die Schatztruhen waren übergeflossen, aber das alles gehörte der Vergangenheit an. Stephen hatte das Geld an seine Söldner und seine Speichellecker verschwendet, und was er nicht verprasst hatte, hatte sein bischöflicher Bruder gestohlen. Im Land tobte ein erbitterter Krieg, und die Felder waren zu schwarzer Asche verbrannt. Kein vernünftiger Mann begab sich freiwillig nach England oder schickte gar ein schutzloses Kind dorthin. Solange Henry hier war, befand er sich unter seiner Aufsicht, seinem Einfluss und seinem Schutz.
    »Ich will aber gehen«, beharrte Henry mit störrisch vorgeschobenem Kinn und einem stählernen Glitzern in den Augen, das Geoffrey lebhaft an seine Frau erinnerte. »Ich will alles über Kriegsführung lernen.«
    »Hast du in der Normandie nicht genug darüber gelernt?«, fragte Geoffrey. »Ich kann dir alles zeigen und erklären, was du wissen musst.«
    »Aber dabei geht es nicht um die Krone«, erwiderte Henry mit unwiderlegbarer Logik. »Ich will Mama sehen, und England.«
    Geoffrey presste die Lippen zusammen.
    »Ich werde mich um ihn kümmern«, versprach Robert ernst. »Ich schwöre bei meinem Leben, dass ihm nichts zustoßen wird. Gib uns nur so viele Männer und Vorräte mit, dass wir den Kampf durchstehen. Du hast Recht, wenn du sagst, die Normandie wäre das Fundament für den Sieg deines Sohnes, aber wozu braucht man ein Fundament, wenn man kein Haus baut?«
    »Das ist deine Aufgabe und die meiner Frau, aber was ihr bislang aufgebaut habt, habt ihr ja am nächsten Tag wieder niedergerissen!«, fauchte Geoffrey.
    »Und ich und deine Frau wissen, dass wir Hilfe aus der Normandie brauchen und es für uns von unschätzbarem Wert wäre, wenn Henry mit mir käme – da du dich ja weigerst.«
    Geoffrey funkelte Robert giftig an, doch endlich seufzte er. »Also gut. Ich gebe dir dreihundert Männer und genug Vorräte und Ausrüstungsgegenstände, um fünfzig Schiffe damit zu beladen. Aber ich erwarte, dass du für meinen Sohn sorgst und ihn mit deinem Leben beschützt, so wie du es geschworen hast. Du wirst ihn mir in dem Moment zurückschicken, in dem ich ihn wiederhaben will. Nur unter diesen Bedingungen überlasse ich ihn dir für eine Weile.«
    Henry strahlte und stieß einen Freudenschrei aus. Dann stürmte er davon, um gegenüber seinen Brüdern damit zu prahlen, dass er nach England reise, um sein Königreich einzufordern.
    Robert war erleichtert, und seine Züge entspannten sich.
    »Danke«, sagte er. »Du hast die richtige Entscheidung getroffen.«
    »Hoffentlich«, versetzte Geoffrey grimmig. Er war weit davon entfernt, Erleichterung zu verspüren, denn er wusste, wie gefährlich es trotz strengster Sicherheitsvorkehrungen in England war und dass Robert Henry nicht vor allem schützen konnte. Das ging schon bei der Überfahrt los – es bedurfte nur eines Fehlers des Steuermanns und einer tückischen Welle. Aber am meisten bedrückte ihn, dass er dieses gescheite, lebhafte Kind sehr vermissen würde, das seine Welt erhellte wie die Sonne.

45
    Arundel, Herbst 1142
    Adeliza blickte erschöpft, aber triumphierend auf das frisch gewaschene und gewickelte Baby in ihrer

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