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Die Hueterin der Krone

Die Hueterin der Krone

Titel: Die Hueterin der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Chadwick
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November hatte bitterer Frost eingesetzt, und jeden Tag war es kälter geworden, bis die Erde hart wie Eisen und das Wasser im Burggraben so klar und fest wie Bergkristall war. Vor zwei Tagen hatte es stark geschneit. Die Kampfspuren lagen unter einer dicken weißen Decke verborgen, und der verhangene Himmel verhieß weitere Schneefälle. Stephens Blockade verhinderte, dass Hilfe, Nachrichten von der Außenwelt und Vorräte zu den Verteidigern der Burg gelangten, und der Schnee verstärkte ihre Isolation noch. Stephen hatte die Stadt besetzt und die alte Königsresidenz außerhalb der Stadtmauern beschlagnahmt. Seine Soldaten waren in Oxford untergebracht, wo sie Zugang zu den Nahrungsmitteln und der Wärme hatten, die Matilda und ihre Garnison entbehren mussten. In ihrem Bergfried war ihnen das Feuerholz zum Kochen und zum Heizen der Halle fast ausgegangen. Sie hatten bereits zwei Lagerschuppen und einen Ziegenstall abgerissen und kleingehackt – nachdem sie die Ziegen verzehrt hatten. Jetzt hatten sie begonnen, die Möbel zu verheizen, und alle drängten sich fröstelnd in einem Raum zusammen und versuchten sich unter einem Berg von Kleidern und Decken warm zu halten. Die Mahlzeiten bestanden ausschließlich aus einer Suppe aus einer Handvoll Gerste, einigen Zwiebeln und Stockfisch, der auch nach stundenlangem Einweichen und Klopfen noch zäh wie Leder war. Matilda hatte darauf bestanden, dasselbe zu essen wie alle anderen, und sie verspürte dieselbe Mischung aus Heißhunger und Abscheu, wenn sie sich zwang, die widerliche Fischbrühe hinunterzuwürgen. Wenigstens war sie heiß.
    Die Burgmauern wurden tagein, tagaus unter Beschuss genommen, und die halb erfrorene Garnison wurde allmählich zu schwach, um noch länger Widerstand zu leisten. Wenn sie keine Fluchtmöglichkeit fand, war das Ende nah. Jeden Tag betete Matilda, Robert möge kommen und Stephen und seine Belagerungsarmee vertreiben, und jeden Tag wurden ihre Gebete nicht erhört. Sie wusste noch nicht einmal, wo er war und wie es ihm ging; sie waren von der Welt vollkommen abgeschnitten.
    »Mir bleibt nur die Möglichkeit, aus Oxford zu fliehen und mich in Sicherheit zu bringen«, sagte sie zu Alexander de Bohun, dem Anführer ihrer Ritterleibgarde. »Ohne mich hat Stephen keinen Fisch mehr im Netz.«
    »Und wie wollt Ihr aus der Burg herauskommen?« De Bohun warf ihr einen Blick von der Seite zu. »Stephen hat uns umzingelt.«
    »Zwischen seinen Wachposten klaffen Lücken, und bei diesem furchtbaren Wetter wird er nicht damit rechnen, dass jemand nachts die Burg verlässt.«
    »Nachts?« De Bohuns Augen weiteten sich vor Verblüffung.
    »Stephens Männer werden an ihren warmen Feuern sitzen, und er wird nur die unbedingt erforderliche Anzahl Wachposten aufstellen. Der Fluss ist dick zugefroren, niemand hält sich dort auf, weil die Fischer ihre Boote weggebracht haben. Ich kann mit einer kleinen Eskorte über die Mauer entkommen, und wir schlagen uns nach Wallingford durch.«
    De Bohun starrte sie immer noch ungläubig an. »Ohne Pferde und im Schnee? Im Dunkeln? Da draußen ist es so kalt wie in einem Eisgrab.«
    Sie fixierte ihn mit einem entschlossenen Blick. »Ich überantworte mich lieber den Elementen und der Gnade Gottes, als dass ich vor Stephen das Knie beuge. Ich weiß, dass ich Oxford aufgeben muss, weil wir nicht länger durchhalten können, aber wenn ich ihm nicht in die Hände falle, ist sein Sieg so wertlos wie seine Krone.«
    »Er wird trotzdem Wachposten aufstellen, wenn auch weniger als sonst. Was, wenn Ihr entdeckt werdet? Gebete allein machen Euch nicht unsichtbar.«
    »Natürlich nicht. Glaubt Ihr, ich hätte daran nicht gedacht?« Sie funkelte ihn finster an. »Wir tarnen uns so, dass wir mit dem Schnee eins werden, und Stephens Männer werden nichts bemerken.«
    De Bohun hob skeptisch die Brauen.
    »Bringt mir alles, was wir an weißen Stoffen haben«, befahl sie. »Laken, Tischtücher und Decken.«
    De Bohun zögerte einen Moment, als glaube er, sie habe nun endgültig den Verstand verloren. Dann verbeugte er sich und wandte sich ab, um den Dienern Anweisungen zu erteilen.
    Als diese mit dem Durchsuchen von Truhen und Schränken fertig waren, begutachtete Matilda die Ausbeute.
    »Aus den ungefärbten Decken können wir Mäntel machen, indem wir ein Loch für den Kopf hineinschneiden. Und die Laken geben ausgezeichnete Kapuzen ab.«
    Matilda und ihre Zofen griffen zu Nadel und Faden, während sie mit den Männern einen Fluchtplan

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