Die Hueterin der Krone
Armbeuge hinab. Die Geburt war schwer gewesen, denn der Junge war groß und robust und hatte sich Zeit gelassen. Doch jetzt hielt sie ihn im Arm, und das Gefühl, ein Wunder sei geschehen, war so überwältigend wie beim ersten Mal: ein einzigartiger Moment, der Schmerzen, Blut und Gefahr banal erscheinen ließ. Einst hatte sie unter ihrer Unfruchtbarkeit gelitten; nun war sie fruchtbar. Sie wünschte nur, Will könnte seinen Sohn sehen, aber er befand sich auf einem Feldzug. Nachdem er sich von der schweren Krankheit erholt hatte, die ihn während des Frühjahrs und des frühen Sommers gezwungen hatte, sich zu schonen, war Stephen erneut ins Feld gezogen.
Sie und Will hatten die ersten sechs Monate des Jahres in Norfolk verbracht, in ihren neuen Burgen in Rising und Buckenham, hatten die Fortschritte der Baumeister verfolgt und sich um das Land, die Geschäfte mit der Kirche und um ihre Stiftungen gekümmert. Ihr ältester Sohn hatte sich von einem pummeligen Kleinkind in einen kräftigen, flinken Jungen verwandelt. Seine Schwester Adelis war ein eigenwilliges kleines Mädchen mit rosigen Wangen und wilden goldenen Locken geworden. Sie hatte den freimütigen Blick ihres Vaters geerbt. Doch im August hatte Stephens Marschbefehl dieser Idylle ein Ende gesetzt, und einmal mehr hatte Adeliza Will in den Krieg ziehen sehen, um für einen Mann zu kämpfen, den sie als Thronräuber betrachtete.
Juliana ging zur Tür, weil jemand geklopft hatte, und Adeliza hörte sie mit dem Haushofmeister Rothard sprechen. Dann trat sie zu ihrer Herrin.
»Madam, der Earl ist soeben eingetroffen«, verkündete sie.
»Bitte?« Adeliza setzte sich mühsam im Bett auf.
Auf der Treppe vor der Kammer erklangen feste männliche Schritte, dann trat Will ein. Er trug noch immer seine staubige Reisekleidung und sein Schwert.
Aufgrund seiner unerwarteten Ankunft verlegen und gänzlich unvorbereitet schlang Adeliza die Decke um ihren Körper.
»Ich wusste nicht, dass du kommst«, sagte sie. »Du hättest eine Nachricht schicken sollen.«
Er vollführte eine unbeholfene Geste. »Ich wusste, dass du im Wochenbett liegst und dich nur aufgeregt hättest, wenn ich dich benachrichtigt hätte.« Er trat zum Bett, und der Geruch nach frischer Luft, vermischt mit einem strengen Schweißgeruch von der anstrengenden Reise, stieg ihr in die Nase. Seine Lippen waren kalt, und sein Bart kratzte, als er sie küsste. Dann betrachtete er das Baby.
»Noch ein Sohn«, sagte Adeliza stolz. Zugleich war sie ein wenig verärgert, weil sie nicht wusste, ob Will aus Fürsorge oder Gedankenlosigkeit seine Ankunft nicht angekündigt hatte. Sie legte ihm das Baby in die Arme. Als sie sah, wie er mit dem Zeigefinger die zarten Brauen nachzog und ihm über die Wange strich, wurden ihre Züge weicher.
»Geht es dir gut?«, fragte er.
»Jetzt, wo du zu Hause bist, noch besser«, erwiderte sie. »Auch wenn du mir vorher nichts gesagt hast.«
Er blickte von dem Baby auf. Seine Lider flatterten. »Ich kann nicht lange bleiben.«
Sie sah ihn forschend an. »Wie lange?«
Er zögerte. »Das hängt von den Umständen ab, aber ich hoffe, bei deiner Aussegnung noch hier zu sein.« Er gab ihr den Kleinen zurück. »Du brauchst jetzt Ruhe. Ich komme später wieder, dann können wir reden.« Er küsste sie erneut und verschwand.
Adeliza wusste, dass er ihr etwas verheimlichte, aber die Geburt hatte sie erschöpft, und sie wollte nur noch schlafen. Doch er hatte Recht. Sobald sie sich erholt hatte, mussten sie miteinander reden, und zwar ausführlich.
Am Morgen trug Will seinen neugeborenen Sohn in die Kapelle von Arundel und ließ ihn nach Adelizas Vater auf den Namen Godfrey taufen. Ihre Verwandte Melisande und deren Mann Robert waren die Paten. Nach der Zeremonie brachte Will Godfrey in die Wochenbettkammer zurück. Als er die Stufen hinaufstieg, war er immer noch unschlüssig, ob er Adeliza berichten sollte, was geschehen war. Die Geburt hatte ihre Gesundheit angegriffen, und er wusste, dass sie sich große Sorgen machen würde.
Als er eintrat, lag sie nicht im Bett, sondern saß, in ein loses Seidengewand gehüllt, am Fenster. Ihre Zofen hatten auf einem Tisch eine kleine Mahlzeit bereitgestellt – Brot, Honig, warme Quarktörtchen und einen Krug mit heißem Wein. Demnach wollte sie, dass er blieb und sie sich aussprachen.
»Der junge Godfrey hat eine Stimme wie ein Stierkalb«, sagte er schmunzelnd, als er die Wange des Babys küsste und es der Kinderfrau reichte.
Weitere Kostenlose Bücher