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Die Hueterin der Krone

Die Hueterin der Krone

Titel: Die Hueterin der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Chadwick
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Henry griff nach den Zügeln, schob einen Fuß in den Steigbügel und schwang sich mühelos in den Sattel. Als Adeliza ihn mit seinen Höflingen lachen und scherzen sah und seine noch immer kräftige, muskulöse Gestalt betrachtete, konnte sie kaum glauben, dass er fast siebzig Jahre zählte.
    Sie machte einen Bogen um die Menge, um ihre Schuhe nicht mit Schlamm zu beschmutzen, und bemerkte eine Gruppe Männer, die sich unterhielten, während sie auf ihre Pferdeknechte warteten. Irgendetwas an der Art, wie sie die Köpfe zusammensteckten, erweckte ihren Argwohn. Da war Hugh Bigod, der Lord von Framlingham: ein klein gewachsener Mann, ebenso bissig und kampfeslustig wie die Terrier, die sich im Hof balgten. Sie traute ihm nicht und wusste, dass Henry ihn scharf überwachen ließ. Bei ihm standen William Martel, einer von Henrys Verwaltern, und Waleran de Meulan. Letzterer lauschte mit geneigtem Kopf, was ungewöhnlich war, denn er gehörte zwar zu ihrem Kreis, war aber gebildeter und hatte andere Vorlieben. Sie fing Martels Blick auf. Er verbeugte sich, und sie nickte. Auch die anderen drehten sich jetzt zu ihr um und erwiesen ihr ihre Reverenz, dann zerstreuten sie sich im Hof. Ihr Unbehagen wuchs, obwohl sie es nicht klar zu benennen vermochte.
    Adeliza verbrachte die nächsten Tage damit, für die Seereise nach England zu packen, und hoffte, dass es diesmal auch dazu kam. Sie hatte Henry vor dessen Aufbruch zu seinem Jagdausflug vorgeschlagen, als Beweis seines guten Willens wenigstens eine der umstrittenen Burgen abzutreten, und er hatte geknurrt, er brauche von ihr keinen Rat, er wisse selbst, wie er über sein Land zu herrschen habe. Später hatte sie ihn jedoch seinem ältesten Sohn Robert just diese Möglichkeit unterbreiten hören, aber da hatte er sie natürlich als seine eigene Idee ausgegeben. Selbstverständlich erwartete er im Gegenzug Zugeständnisse und ein Friedensangebot Geoffreys, aber es war zumindest ein Fortschritt. Und wenn Matilda und Geoffrey jetzt den Ölzweig akzeptierten und aufhörten, Henry so unter Druck zu setzen, dann konnten sie die Christmette vielleicht friedlich in England feiern.
    Sie setzte sich am Fenster nieder, um einen Brief an Matilda zu verfassen, in dem sie ihr riet, sich ihrem Vater gegenüber taktvoll und versöhnlich zu zeigen. Sie erkundigte sich nach dem kleinen Henry und nach Geoffrey, für die sie Kittel genäht hatte, mittags, wenn es hell genug war. Obwohl sie gerne Kleider für Kinder einer anderen Frau anfertigte, überkam sie eine starke Sehnsucht, und sie fühlte sich innerlich leer.
    Adeliza tauchte ihre Feder in die Tinte. Als sie zufällig aufblickte, sah sie durch das offene Fenster einen Reiter durch das Tor galoppieren und aus dem Sattel springen, noch bevor das Pferd ganz zum Stehen gekommen war. Sie erkannte den Mann, als er auf das Haus zukam, und fragte sich, was William D’Albini in solcher Eile hierherführte. Ihr Herz begann zu hämmern. Sie rief nach Juliana, ließ ihren Brief liegen und eilte in die Halle.
    William D’Albini stand mit seinem Hut in den Händen beim Feuer und betastete die Krempe, als zähle er in der Kirche Rosenkranzperlen ab. Seine zerzausten dunklen Locken hatten offenbar schon einige Zeit keinen Kamm mehr gesehen, und seine Kleider waren mit Schlamm bespritzt. Der Ausdruck in seinen großen haselnussbraunen Augen erschreckte sie.
    »Madam«, stieß er hervor, als er sie sah, und sank auf die Knie.
    Adeliza bedeutete ihm, sich zu erheben, und bat einen Diener, ihm Wein zu bringen.
    »Eure Neuigkeiten können warten, bis Ihr Euch die Kehle angefeuchtet habt«, sagte sie, insgeheim stolz auf ihre Selbstbeherrschung. Was auch immer er ihr zu sagen hatte, es würde ihr Leben verändern.
    Er schwenkte den ihm angebotenen Becher in seiner großen rechten Hand, hob ihn an die Lippen und trank gierig.
    »Danke, Madam.« Er gab dem Diener den Becher zurück. »Vielleicht … meine Botschaft ist im Moment nur für Eure Ohren bestimmt.«
    Adeliza scheuchte den Mann und Juliana mit einer Handbewegung außer Hörweite.
    »Was ist denn passiert?«
    »Madam, Ihr solltet Euch für schlechte Neuigkeiten wappnen. Vor fünf Tagen erkrankte der König plötzlich und bekam Fieber. Wir dachten, es käme von einer zu reichlichen Mahlzeit, aber sein Zustand verschlechterte sich, und heute Morgen ist er vor seinen Schöpfer getreten. Ich habe mich erboten, Euch die Nachricht zu überbringen, obwohl es mir von Herzen leidtut, Euch Kummer bereiten zu

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