Die Hueterin der Krone
überdenken müsste.«
»Aber wie diese Pläne konkret aussehen, hat er nicht gesagt?«
Will schüttelte den Kopf. »Viele verlangten die Zusicherung, dass der Graf von Anjou von der Herrschaft über die Normandie und England ausgeschlossen bleibt, und ich glaube, der König hat versucht, diese Männer zu beschwichtigen. Wie sein letzter Wille in dieser Angelegenheit genau lautete, kann ich nicht sagen.«
Adeliza biss sich auf die Unterlippe. Wahrscheinlich hatte sich Henry nie konkret dazu geäußert, und es kam ihr so vor, als falle sie in ein tiefes Loch. »Wie soll es denn jetzt weitergehen? Wer soll die Zügel in die Hand nehmen?«
»Ich weiß es nicht, Madam. Als ich losritt, trat gerade eine Ratsversammlung zusammen, um darüber zu diskutieren und zu entscheiden, wie glaubwürdig Hugh Bigod ist.«
Adeliza schluckte. Hugh Bigod würde seine eigene Mutter verkaufen, das war allgemein bekannt. Die Männer mussten jetzt überlegen, ob sie sich ihm anschließen und den Eid brechen sollten, den sie Matilda und Henry geleistet hatten, oder ob sie besser zu ihrem Wort standen. Aber wenn ihr Mann auf dem Sterbebett keinen Nachfolger genannt hatte, würde innerhalb kürzester Zeit ein Schwarm Geier am Himmel kreisen, zum Zustoßen bereit.
»Ihr habt nichts gehört und gesehen?«
Er schien sich nicht wohl in seiner Haut zu fühlen, hielt ihrem Blick aber stand. »Nein, Madam … aber als ich aufbrach, sah ich, wie William Martel Vorkehrungen für einen längeren Ritt traf, und ich glaube nicht, dass er nach Anjou wollte. Mehr kann ich Euch nicht sagen.«
Adeliza versuchte, klar und logisch zu denken, aber in ihrem Kopf herrschte dichter Nebel. Gedanken und Bilder zogen an ihr vorbei und waren verschwunden, ehe sie sie festzuhalten vermochte. Vor ihrem geistigen Auge sah sie William Martel auf einem galoppierenden Pferd. Sein Ziel muss die Boulogne sein, dachte sie. Er war auf dem Weg zu seinem Freund und Herrn Stephen of Blois, Graf von Mortain. Zu wem sonst würde er in solcher Eile reiten? Sie musste Matilda schreiben und sie warnen. Aber was, wenn Hugh Bigod die Wahrheit gesprochen und Henry seine Tochter tatsächlich aus seinen Plänen ausgeschlossen hatte? Lieber Gott, sie schienen sich bereits auf einem ruderlosen Schiff zu befinden!
Adelizas Magen brannte. Sie würde nie Henrys Kind auf dem Schoß halten, nie wieder in Staatstracht neben ihm sitzen. Sie war eine Witwe, eine Königin ohne König, ihres Thrones beraubt. Dieser Teil ihres Lebens war mit einem Schlag zu Ende gegangen. Sie wollte sich in einer dunklen Ecke verkriechen und sich ihrer Trauer hingeben, aber sie wusste, dass das nicht ging. Sie hatte sich um alles zu kümmern. Um eine angemessene Beerdigung. Gebete für Henrys Seele. Und ihre Rolle als Friedensstifterin war jetzt sicherlich wichtiger denn je, auch wenn ihr ihre sonstigen Aufgaben abrupt genommen worden waren. Sie musste einen Schritt nach dem anderen machen.
»Ich danke Euch dafür, dass Ihr mir die Nachricht so schnell überbracht habt, aber entschuldigt mich jetzt bitte. Ich habe Verschiedenes zu erledigen, ich muss Briefe schreiben und über die Trauerzeit nachdenken.«
»Natürlich.« Er erhob sich und verbeugte sich. »Wenn ich Euch helfen kann, müsst Ihr es nur sagen …«
»Danke«, erwiderte sie, wohl wissend, dass niemand für sie etwas tun konnte.
21
Le Mans, Dezember 1135
Matilda schloss die Augen und genoss das entspannende Gefühl, als sie das warme, duftende Wasser um ihre Füße spürte. Nachdem sie den ganzen Tag gearbeitet hatte, ruhte sie sich kurz in ihrer Kammer aus, aber es gab noch viel zu tun. Geoffrey wollte mit ihr über die Normandie sprechen, wo er immer noch die Rebellion gegen ihren Vater unterstützte, obwohl er zuletzt auf Abstand dazu gegangen war. Letzte Woche war ihnen ein Gerücht zu Ohren gekommen, dass Henry vielleicht bereit war, ihnen eine der strittigen Burgen zu überlassen, aber das glaubte Matilda erst, wenn sie den Schlüssel zum Bergfried in der Hand hielt.
Emma kämmte ihr langes, dunkles Haar, wobei sie den Kamm immer wieder in eine Mischung aus Muskat und Rosenwasser tauchte, die die Luft mit einem aromatischen Duft erfüllte. Im Hintergrund schwatzte der kleine Henry mit seiner Kinderfrau. Für sein Alter war sein Vokabular ungewöhnlich umfangreich, und er zeigte bereits eine wache Intelligenz und ein dementsprechendes Temperament. Die Wutausbrüche, in die er sich hineinsteigerte, wenn er seinen Willen nicht bekam, waren
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