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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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einen Topf Haferbrei oder eine Hand voll gekochte Linsen verleugnen sie alles, was ihnen einst heilig war. Die Angst geht um in Bamberg, Ava, schwächt die Menschen. Und schwache Menschen sind gefährliche Menschen.«
    »Bist du deshalb beim Braumeister untergekrochen?«
    Für einen Augenblick schaute Hanna sie erstaunt an, dann begann sie zu lachen.
    »In dieser Stadt bleibt doch nichts unbemerkt«, sagte sie. »Nein, das hat andere Gründe. Er hat mir Arbeit angeboten, und ich habe angenommen. Und er bezahlt mich ordentlich dafür.«
    »Und er schenkt dir schöne Dinge.« Ava hatte nur geraten, aber als sie sah, wie die andere errötete, wusste sie, dass sie richtig damit lag. »Dinge, die du dir sonst nicht leisten könntest.«
    »Er ist ein feiner Mann«, sagte Hanna. »Er kennt weder Hass noch Engstirnigkeit. Er hat seine Meinung, zwingt andere aber nicht, sie unbedingt zu teilen. Und er hat Mut. Gäbe es mehr von seiner Sorte, so lägen die Dinge anders.«
    »Du willst mich also warnen?«, sagte Ava. »Deshalb bist du hier.«
    »Ja. Ich habe von geheimen Listen gehört, auf denen unsere Namen stehen sollen. Deiner, meiner und noch eine Menge anderer. Die Hexenkommissare halten sie angeblich verschlossen, aber einer von ihnen, Vasoldt, schaut gern zu tief ins Glas. Dabei muss ihm eine dieser Listen aus der Tasche gerutscht sein. Jemand von uns hatte die Gelegenheit, einen Blick darauf zu werfen.« Sie zögerte. »Jemand, der lesen kann.«
    »Sie wollen uns als Druten anzeigen?«
    »Sie werden es tun, wenn sie eine Gelegenheit dazu haben«, sagte Hanna. »Damit musst du rechnen. Aber noch ist es nicht zu spät. Es liegt an dir, das abzubiegen. Du weißt genau, was sie verabscheuen – und was sie fürchten.«
    »Ich soll die Frauen wegschicken, die mich um Hilfe bitten?« , sagte Ava. »Meinst du das? Ich weiß, dass es nicht ungefährlich ist. Aber wohin sollen sie sich sonst mit ihren Nöten wenden?«
    »Auf der Hut sollst du sein, noch vorsichtiger als bisher. Das ist alles, worum ich dich bitte, Ava. Außerdem hast du doch deine Fische zum Überleben. Und gegen geräucherte Forellen ist auch von Kirchenseite kaum etwas einzuwenden.«
    Hanna Hümlins Blick lag lange auf ihrem Gesicht, dann glitt er tiefer. Sie hob die Hand, legte sie für einen Augenblick leicht auf Avas Brust.
    »Du weißt doch, wofür es sich lohnt«, fügte sie leise hinzu. »Mehr als je zuvor. Und falls du nach Ostern Not an einer Gode haben solltest, lass es mich wissen. Ich würde mich freuen!«
    Avas Augen wurden feucht, als sie ihr hinterherschaute.
    Hanna hielt den schmalen Rücken beim Gehen sehr gerade, aber ihr lahmes Bein zwang sie zu einem auffälligen Schaukelschritt, der unwillkürlich viele Blicke auf sich zog.
    Sie hatte ihr die Schwangerschaft auf den Kopf zugesagt!
    Zu sehen gab es noch nichts, und es war noch nicht lange her, dass sie es sich selber noch nicht eingestehen wollte. Aber Ava weinte nicht deshalb. Und auch nicht aus Furcht vor den geheimen Drutenlisten, obwohl deren Erwähnung ihre Stimmung sehr verdüstert hatte.
    Es war ein anderes Bild, das ihr nicht aus dem Kopf gehen wollte: ein stattlicher Mann mit silbrigen Locken und eine schlanke, rotblonde Frau, die einträchtig Arm in Arm über den Markt schritten. Ein bürgerliches Paar, angesehen, vertraut, innig. Versehen mit dem Segen der Kirche. Eheleute.
    Seitdem rumorte etwas in ihrem Inneren, machte sie schäbig und eng, und sie hasste sich dafür, aber es ließ sich nicht vertreiben. Sie war eifersüchtig, rasend eifersüchtig sogar. Das musste sie sich eingestehen. Am liebsten hätte Ava den Stand verlassen, Veits Arm aus dem seiner Frau geschlagen und ihr mitten ins Gesicht geschrien, dass sie es war, die ein Recht auf ihn hatte, weil sie sein Kind im Leib trug – falls nicht doch Mathis der Vater war.
    Sie wischte sich die Tränen ab.
    Die unvergessliche Nacht am Feuer? Oder die Liebesstunden in ihrem Haus? Beides war möglich. Sie brauchte selber noch Zeit, um damit klarzukommen.
    Dort drüben kam Kunis Bande angelaufen. Kuni natürlich wie immer voran, gefolgt von Lenchen, die ihre rote Haube abgesetzt hatte und wie einen leuchtenden Wimpel in der einen Hand schwenkte, während die andere fest in Tonis Hand lag. Die Haare waren inzwischen nachgewachsen, bedeckten ihren Kopf wie eine helle Fellkappe. Bis ihr Kind auf der Welt war, würden sie Lenchen schon wieder bis über die Ohren reichen.
    »Ava! Wir haben solchen Hunger! Hast du nicht etwas für

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