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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Haushalt.«
    »Und bei der Gelegenheit hast du dich auch gleich aus seinen Schatullen bedient …«
    »Du irrst dich. Der Braumeister hat mir den Bernstein geschenkt. Ich wollte ihn zunächst nicht annehmen, aber er hat mich schließlich dazu überredet.« Hannas Ton besaß eine gewisse Schärfe. »Noch weitere Fragen?«
    »Viele«, sagte Marie. »Aber die werd ich lieber ihm stellen, nicht dir.« Sie wandte sich nach dem Mädchen um. »Komm, Selina, wir gehen!«

    Zweimal schon waren die Boote gegeneinander gerudert. Zweimal hatten die Widersacher einander die Brust zum Stoß geboten. Zweimal waren die Speerträger getorkelt, aber keiner war gestrauchelt, geschweige denn über Bord gegangen.
    Jetzt stand der dritte Versuch an.
    Die Sonne versank am Horizont; die Böen verstärkten sich.
    »Beeilt euch!«, rief jemand aus der Menge. »Der Bock wartet nicht gern auf uns!«
    Avas Schultern waren verkrampft, so sehr hatte sie die Hände ineinander verkrallt. Bastians Kahn war als erster an der Reihe. Die Ruderer schienen müde, plötzlich aber legten sie an Geschwindigkeit zu.
    Bastian holte aus, erstaunlich kraftvoll. Sein Speer traf Mathis direkt in die Brust. Er taumelte, dann stürzte er wie ein Stück Holz seitlich vom Boot.
    Die fließenden Wasser der Regnitz schlossen sich über ihm.

SIEBEN
    B evor es hell wurde, schlich Agnes aus dem Haus. Schon jetzt sah es aus, als würde auch heute die Sonne wieder dem Nebel unterliegen, so tief hingen dicke, feuchte Schwaden über der Stadt. Sie fürchtete sich vor dem heiseren Krächzen der Krähen, die plötzlich überall zu hocken schienen. Agnes hasste diese großen schwarzen Vögel beinahe ebenso sehr, wie sie sich vor ihnen fürchtete.
    Eine harte Nacht lag hinter ihr, denn sie hatte nicht nur eine weitere Besteigung Harlans erdulden müssen. Kaum lag der Alte schnarchend neben ihr, meldete sich auch schon der Kleine mit lautem Gebrüll. Sein Schorf war verschwunden; seit einigen Tagen aber plagten ihn juckende rote Pusteln; er verweigerte das Essen, war fiebrig und übellaunig. Es blieb ihr nichts anderes übrig, als ihn herumzutragen, schier endlos, wie es ihr erschien, denn jedes Mal, wenn sie auch nur versuchte, ihn zurück in die Wiege zu legen, setzte sein empörtes Schreien erneut ein.
    Als er irgendwann doch eingeschlafen war, war sie so erschöpft, dass am liebsten nun sie geweint hätte. Ihr ganzer Körper war ein einziger Schmerz – die Brüste, der Schoß, der Rücken. Natürlich hätte sie Harlans ungeliebtes Gewicht dafür verantwortlich machen können und seine Pratzen, die sie im Bett so umklammert hielten, dass sie sich vorkam wie in einem menschlichen Schraubstock. Aber Agnes Pacher wusste zu genau, was der eigentliche Grund für ihr Unbehagen war. Erst wenn ihr Werk vollendet war, würde sie wieder aufatmen können.
    Bald schon würden die Mädchen wach werden und mit ihnen das ganze Haus. Bis dahin musste getan sein, was sie sich vorgenommen hatte. Sie hatte lange überlegt, was wohl das geeignete Gefäß sein könnte, und sich schließlich für einen angeschlagenen Tontopf entschieden, in dem sie früher Honig aufbewahrt hatte. Ihre Streifzüge durch den Wald und entlang am Fluss hatten sich gelohnt. Zum Schluss war sie noch in der Abfallgrube fündig geworden.
    Ihre gute Laune kehrte zurück. Bald schon würde Veit wieder ihr gehören. Und die andere, die sie verspottet und ihr so viel Leid zugefügt hatte, in der tiefsten Hölle schmoren.
    Der Plan war perfekt eingefädelt, kein Detail, das sie dem Zufall überlassen hätte. Der Tag vor Allerheiligen eignete sich für ihr Vorhaben wie kaum ein anderer. Dass der Kleine ausgerechnet jetzt kränkelte, machte alles nur umso glaubhafter. Wenn Harlan gebieterisch nach seiner Morgensuppe verlangte, würde sie längst wieder an ihrem gewohnten Platz sein.
    Während sie vor dem Haus grub, stieg ihr der erdige Geruch der Blätter in die Nase. Büsche und Bäume waren inzwischen fast kahl. Agnes fröstelte, obwohl die ungewohnte Arbeit ihr den Schweiß auf die Stirn getrieben hatte. Immer wieder hielt sie inne und kniff die Augen zusammen. In letzter Zeit fiel es ihr schwerer, in die Weite zu sehen. Dinge verschwammen, veränderten ihre Umrisse, als wollten sie sie foppen, und auch jetzt glaubte sie in der aufsteigenden Dämmerung ein Stück weiter in der Langen Gasse etwas zu erkennen, was am ehesten wie ein größerer Lumpenhaufen aussah.
    Hatte er sich nicht eben bewegt? Und sah plötzlich ganz

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