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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Fischertanz.«
    »Bastian?« Natürlich – sein helles Haar leuchtete rötlich im letzten Sonnenschein. Er war zu weit entfernt, als dass sie seinen Gesichtsausdruck hätte sehen können, aber aus irgendeinem Grund war sie sich sicher, dass seine Kiefer mahlten.
    »Ich hätt mich niemals von diesem Lumpen provozieren lassen. Eine Art Zweikampf, Mann gegen Mann, dass ich nicht lache – zwischen einem Fischermeister und einem dahergelaufenen Niemand, der uns nichts als Scherereien macht! Nur darauf hat er es angelegt. Und Mendel ist auf ihn reingefallen. Hoffentlich lässt er seinen Herausforderer wenigstens ordentlich Wasser schlucken!«
    Avas Handflächen wurden feucht. Der Mann auf dem anderen Boot war schlanker als Bastian Mendel und dunkelhaarig. Er trug zerbeulte braune Stulpenstiefel, die ihm über die Knie reichten – Mathis!
    »Sie werden sich doch nichts tun«, sagte sie bang. »Es ist doch nicht wirklich gefährlich?«
    »Kommt ganz darauf an«, sagte der Mann. »Im letzten Jahr hat einer die Stange so fest gegen den Brustkorb bekommen, dass er sich alle Rippen gebrochen hat. Später kam Wasser auf der Lunge dazu. Weihnachten hat er nicht mehr erlebt.« Er schien langsam ungeduldig zu werden. »Worauf wartet ihr noch?«, schrie er. »Sollen wir hier vielleicht Wurzeln schlagen?«
    Eine helle Trompete erklang. Die Ruderer legten sich in die Riemen. Die beiden Boote trieben aufeinander zu.

    Wo war Lenz?
    Kunis Bande musste hier sein; eine solche Gelegenheit konnten sich die Kinder nicht entgehen lassen. Den ganzen Markt hatte Selina schon nach ihm abgesucht, aber sosehr sie ihren Hals auch reckte, sie konnte ihn nirgendwo entdecken. Sie war hungrig. Und sie fror. Durch das dünne Wolltuch, das sie um die Schultern geschlungen hatte, pfiff der Wind, der plötzlich auffrischte.
    Früher wäre sie zu ihrem Vater gelaufen, hätte sich an seinen warmen Körper gedrückt, der ihr wie eine schützende Burg erschienen war, seit sie denken konnte. Doch diese Zeiten waren vorbei, unwiederbringlich. Schuld daran war diese Ava, die ihr den Vater gestohlen hatte.
    Und ihr Balg, die Kleine mit dem roten Häubchen.
    Sie erstarrte, denn plötzlich entdeckte sie die beiden. Ava hatte ihren Stand verlassen, bückte sich zu der Kleinen hinunter und küsste sie auf die Stirn. Das Mädchen schloss dabei die Augen, als ob sie träume. Dann gab Ava ihr einen zärtlichen Klaps, und Lenchen lief davon.
    Etwas Raues kratzte in Selinas Hals. Ihre Knie wurden weich.
    Mutter und Kind. Und der Vater war auch nicht weit. Die drei besaßen alles, was sie verloren hatte.
    Sie würde nicht länger warten. Das beschloss sie in diesem Augenblick. Alles war für den unterirdischen Besuch der Bande bereit, der ausgediente Zapfhahn, den sie beim nonno entdeckt und ohne zu fragen mitgenommen hatte, ebenso wie der schwere Holzklöppel, der die Initialen ihres Vaters trug. Selina war froh, dass er die Suche danach inzwischen eingestellt hatte. Obwohl es eigentlich nahe lag, wer ihn entwendet hatte, war der Verdacht glücklicherweise nicht einen Augenblick auf sie gefallen. Beides lag im Fuchsbau gut verwahrt; erst gestern hatte sie sich dessen vergewissert.
    Sie spürte eine warme Hand auf ihrem Rücken.
    »Lenz …« Der Name erstarb ihr auf den Lippen.
    »Du bist ja kalkweiß«, sagte Marie. »Und du zitterst. Ist dir kalt? Wo hast du nur die ganze Zeit gesteckt? Komm, wir gehen nach Hause, Selina, sonst wirst du noch krank.«
    Widerstandslos ließ Selina sich von ihr weiterziehen, bis Marie plötzlich stehen blieb.
    »Das gibt es doch nicht.« Sie starrte einer hinkenden Frau hinterher, die gerade an ihnen vorbeigegangen war. »Ich glaub, ich träume! Das muss ich mir näher ansehen.«
    »Was denn?«, quengelte Selina. »Ich will nach Hause.«
    »Gleich. Warte hier.«
    Marie ließ ihre Hand los und ging wieder ein Stück zurück. Schließlich blieb sie neben einer fremden Frau stehen, die mit anderen einen der vielen Glückstöpfe umringte.
    »Schönes Amulett«, sagte sie, die Augen fest auf das Bernsteinherz gerichtet, das Hanna um den Hals trug. »Und so ausgefallen. Meine Mutter hat einmal ein ganz ähnliches besessen. Darf ich erfahren, woher du es hast?«
    »Du bist Hallers Tochter?« Hanna Hümlin hielt dem Blick stand, auch als Maries Miene immer mehr versteinerte.
    »Und wenn schon – spielt das eine Rolle?«
    »Ich denke schon«, sagte die Frau. »Ich bin Hanna Hümlin und führe deinem Vater seit einiger Zeit den

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