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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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nicht sehe. Aber ich höre ihn! Er stöhnt so laut, dass es in den letzten Winkel des Hauses dringt. Er schläft immer nur ein paar Stunden. Aus Essen macht er sich nichts, egal, was ich auf den Tisch stelle. Lieber fastet er. Dabei fühlt er sich offenbar am wohlsten. Er bekommt kaum Besuch, bis auf seinen Sekretär.«
    »Das weiß ich doch alles schon. Hast du denn nicht getan, was ich dir aufgetragen habe? Seine Schubladen durchsucht? Seine Truhen? Hast du nichts entdeckt, was uns weiterhelfen könnte?«
    »Wenn er mich dabei erwischt, steckt er mich ins Loch!«
    »Er wird dich nicht erwischen. Nicht, wenn du es klug anstellst. Schließlich weißt du am besten, wann Messe ist. Und wie lange sie dauert. Das ist deine Zeit, Apollonia! Nutze sie.« Er griff in seine Rocktasche und zog einen kleinen Lederbeutel heraus. »Schau nur, wie prall er ist! Ich hab die Münzen verdoppelt. Und sobald du mir brauchbare Ergebnisse lieferst, bekommst du so viele, dass du für den Rest deines Lebens ausgesorgt hast.«
    »In der einen Truhe sind nur die Gewänder. Lauter neue Soutanen, sechs an der Zahl. Ich hab auch darunter nachgesehen. Da war sonst nichts.«
    »Weiter!«, sagte Haag ungeduldig.
    »Dann gibt es noch den großen Schrank. Dort hat er Schriftstücke aufbewahrt.«
    »Welche Schriftstücke? Etwa Briefe?« Wenn sie aufgeregt war wie jetzt, roch sie noch ranziger als sonst. Haag trat unwillkürlich einen Schritt zurück. Mit dem Geld, das er ihr schon zugesteckt hatte, hätte sie sich eine ganze Schiffsladung Seife kaufen können, aber offensichtlich hielt sie nicht viel davon. »Herrgott, Apollonia, es geht um Menschenleben. Lass dir doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen!«
    »Glaubt Ihr vielleicht, ich könnte lesen?«, schniefte sie aufgebracht.
    »Nein, aber du hättest sie mir herbringen können«, erwiderte er mit schwindender Geduld. »Ich kann es nämlich. Also hol sie! Mach schon.«
    »Das kann ich nicht.«
    »Und weshalb nicht?«
    »Er hat den Schrank abgesperrt. Das tut er immer in letzter Zeit. Und die Eingangstür, die schließt er ebenfalls zu. Dreimal. Auch, wenn wir alle im Haus sind.«
    »Wo ist der Schlüssel?«
    »Für den Schrank? Den trägt er an einem Band um den Hals. Den kann ich ihm nicht wegnehmen.«
    »Und wenn er schläft?«
    »An sein Bett gehe ich nicht. Ihn berühren – das könnt Ihr nicht von mir verlangen!«
    »Nun gut«, sagte Haag resigniert. »Es bleibt wie besprochen. Du hältst weiter die Augen auf. Und falls du einmal an den Schlüssel kommen solltest …«
    »Einmal stand der Schrank offen. Da hab ich Veilchen gerochen. Und drinnen lagen nicht nur die Briefe, von denen ich Euch erzählt habe, sondern auch ein paar bunte Bänder, so, wie kleine Mädchen sie tragen. Ich hab einen langen Hals gemacht, um mehr zu sehen, aber da hat Förner schnell die Türe zugeworfen. Seitdem sperrt er immer ab.« Sie klang, als hätte sie eine besondere Leistung vollbracht.
    Der Kanzler fühlte sich plötzlich müde. Mit dummen Menschen zu tun zu haben hatte ihn stets viel Kraft gekostet, von jeher. Vielleicht hatte er sich ja in diese Idee nur verrannt. Vielleicht gab es gar keinen dunklen Fleck in Förners Leben und der Weihbischof war nichts als ein bigotter Fanatiker, der nicht ruhte, bis all seine Widersacher auf dem Scheiterhaufen verbrannt waren. Vielleicht musste er nach anderen Möglichkeiten suchen, um den Irrsinn der Drutenverfolgung nicht noch einmal in Bamberg ausbrechen zu lassen.
    Vielleicht aber, und dieser Gedanke ließ sein Herz noch schwerer werden als seine Beine, vielleicht war es bereits zu spät. Und alles würde so kommen wie in seinen schlimmsten Albträumen.
    »Hör zu, Apollonia«, sagte er kraftlos. »Es bleibt wie besprochen. Jede Lade, jede Truhe, alles kann von Interesse sein. Sei wachsam, ich bitte dich. Es hängt so viel davon ab.«
    Sie starrte ihn mit gerunzelten Brauen an, beleidigt. Er hatte sie offenbar gekränkt. Aber auch das war ihm jetzt egal.
    »Du weißt, wo du mich findest?«
    Sie nickte.
    »Und wenn ich einmal nicht da sein sollte, kannst du auch zu Haller vom Storchenbräu gehen. Er ist mein Freund.« Mein Verbündeter, hätte er beinahe gesagt, der Einzige, dem ich noch glauben kann in Bamberg. Aber vielleicht wäre das schon wieder zu viel für ihr bisschen Verstand gewesen. »Und in alles eingeweiht. Du kannst dich ihm anvertrauen.«
    Ein noch zögerlicheres Nicken.
    Dann verließ Haag das Haus seines Widersachers.

    Toni ging nicht gerne in

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