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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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für dich.«
    »Ich weiß. Und es tut mir auch Leid. Aber es ging nun mal nicht anders.« Er trat einen Schritt auf sie zu. »Du hast es ja gesehen. Ich war nicht allein. Du musst verstehen …«
    »Ja, ich hab euch gesehen. Deine Frau und dich.« Ava stellte die Pilze beiseite. Weitere Bemerkungen drängten auf ihre Zunge, hässliche, sinnlose Worte, die sie ebenso verletzen würden wie ihn. Sie beschloss, nichts zu sagen. Bis auf eines. »Aber verstehen muss ich es deshalb noch lange nicht.«
    »Was hätte ich tun sollen? Kannst du mir das mal verraten?«
    »Und was willst du jetzt? Kannst du mir das mal verraten?«
    Er sah den Mund, den er so gern küsste, die flaumigen Wangen. Sie sah so weich aus, so weiblich! Alles in ihm sehnte sich nach ihrer Berührung.
    Aber ihr Blick war distanziert.
    »Ava, ich …«
    »Still!«, unterbrach sie ihn. »Hörst du nichts?«
    Ein hoher, klagender Ton, der menschlich in seinen Ohren klang.
    »Eines der Kinder«, sagte Veit. »Ist es krank?«
    »Nein, das ist meine Ziege. Sie wirft zum ersten Mal. Sie braucht Hilfe.«
    Sie ging hinüber in den provisorischen Stall, den sie für die beiden Tiere eingerichtet hatte. Die schwarze Ziege fraß ruhig aus dem Trog, die gescheckte aber stieß ein klägliches Meckern aus, sobald sie Ava erblickte. Ava betastete ihren Bauch und das prall angeschwollene Geschlecht.
    Veit war inzwischen nachgekommen.
    »Sie hat Wehen«, sagte sie. »Und Angst. Es wird nicht mehr lange dauern. Es fühlt sich an, als ob es zwei wären.«
    »Sie wirft jetzt, mitten im Herbst?«
    »Das Leben fragt nicht danach, ob es kommen darf.«
    Sie hatte Mathis’ Worte benutzt! Plötzlich war es für sie, als stünde er neben ihr.
    »Lassen wir sie in aller Ruhe ihre Zicklein bekommen.« Veit griff nach ihrer Hand. »Und uns lass nicht länger streiten! Dafür ist die Zeit doch viel zu schade. Du und ich, wir beide könnten inzwischen besser …«
    »Ich bin schwanger.« Sie hatte es ausgesprochen, ohne lange nachzudenken.
    »Du bekommst ein Kind?« Jede Farbe war aus seinem Gesicht gewichen. »Unser Kind, Ava?«
    Sie atmete tief aus. Wäre sie bei Mathis nicht so feige gewesen, er hätte womöglich sein Leben beim Fischerstechen nicht aufs Spiel gesetzt. Veit verdiente ebenso die Wahrheit, auch wenn ihr Geliebter nicht gern hören würde, was sie ihm zu sagen hatte.
    »Genau das weiß ich eben nicht, Veit«, sagte sie.

    Georg Schneider war misstrauisch. Irgendetwas ging in dem alten Stollen vor, und er war entschlossen, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Er hatte sogar schon die verwegene Idee gehabt, eine Nacht im Felsenkeller zu verbringen. Doch die Vorstellung, dabei womöglich in die Fänge der Steinernen Frau zu geraten, schreckte ihn ab.
    Vielleicht wäre er mutiger gewesen, hätte er bei diesem Vorhaben auf Unterstützung rechnen können, doch mit wem sollte er dieses heikle Thema erörtern, ohne gleichzeitig selber in Verdacht und damit in Lebensgefahr zu geraten?
    Die anderen Gesellen hielten ihn seit langem für einen Sonderling und Spinner, den man ungestraft auslachen konnte. Den Braumeister ansprechen? Er war es gründlich leid, von Haller zurechtgewiesen zu werden, wann immer er sagte, was er wusste, dachte oder beobachtet hatte. Sein jüngerer Bruder, der sich als Knecht auf einem Hof nördlich von Bamberg verdingt hatte, kam so selten in die Stadt, dass sie sich seit Jahren nicht mehr gesehen hatten.
    Dabei wusste niemand besser als Georg Schneider, was die Druten alles anzurichten vermochten. Heute, da die Reinigung der Fässer anstand, hörte er den Weihbischof wettern, als stünde er nicht auf der Kanzel, sondern unmittelbar neben ihm. Er war Förners treuester Jünger geworden, sein glühendster Verehrer. Keine Hexenpredigt, die er versäumt hätte; nicht eine einzige der allabendlichen Rosenkranzandachten in St. Martin hatte er ausgelassen.
    Sein Schopf juckte, und unter seinen Achseln hatte sich kalter Schweiß gesammelt. Besonders gern war er noch nie in die gepichten Fässer gestiegen, in denen es stank und dunkel war, aber bislang hatte er diese Arbeit stets mit einem gewissen Gleichmut verrichtet.
    Er kletterte auch heute hinein.
    Allerdings flackerte die Kerze wie wild, während er die Innenseite mit Putzhefe schrubbte, um den Rest der Kräusen zu lösen, große Schaumblasen, die oft im Lauf der Gärung entstanden und bis über den Rand quollen. Würde sie ausgehen, so wusste er, dass es höchste Zeit war, das Fass zu verlassen, weil

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