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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Veit nicht einmal verdenken. Der Gestank der vergangenen Wochen lag zum Glück hinter ihr, aber noch immer war ihr Körper so verändert, dass er ihr fremd vorkam. Über den weichen Bauch zogen sich silbrige Streifen, die Brüste hingen schlaff, und die entzündeten Spitzen waren alles andere als ein Quell der Lust.
    Johannes musste endlich abgestillt werden. Sie hatte es satt, dass kein Mieder mehr passte. Und ihre Hüften durften nicht länger plump bleiben. Schon ohne Auspolsterung sah sie fett aus. Mehr als einmal verwünschte sie Harlan dafür. Wenn er glaubte, in ihr die Zuchtstute gefunden zu haben, die ihm ständig warf, dann täuschte er sich! Sie hatte nicht vor, Jahr für Jahr zu gebären, jetzt, wo es einen Sohn und Erben gab.
    Ihr Körper durfte sie nicht im Stich lassen. Er war stets ihr Kapital gewesen, etwas, worauf sie bauen konnte, ohne nachzudenken. Jetzt hatte er sie auf bittere Weise gelehrt, wie vergänglich die Macht schöner Frauen war. Aber es durfte nicht für immer vorbei sein; sie war doch noch jung – und sie wollte ihren Geliebten zurück!
    Für den Moment blieb ihr nichts anderes übrig, als sich in ein grünes Kleid zu hüllen, eines der wenigen, die locker genug saßen. Trotzdem war das Mieder so eng, dass sie kaum atmen konnte. Ihre üppigen blonden Locken hatten ihm immer gefallen, deshalb band sie sie zu zwei losen Zöpfen. Bevor sie hinüberging, befeuchtete sie ihre Lippen, damit sie voller wirkten, und sandte ein stummes Bittgebet zu ihrer Namenspatronin. Sie war keine schnöde Ehebrecherin. Sie liebte nur einen anderen – war das ihre Schuld?
    Die beiden Männer saßen am Tisch und sahen kaum auf, als sie hereinkam. Sie störte offensichtlich und ärgerte sich, dass sie es so wenig verbargen.
    »Veit!« Agnes errötete wider Willen, als er stumm blieb, ohne ein Zeichen des Erkennens, ohne Gruß. »Du hast dich aber lange nicht mehr bei uns blicken lassen.«
    »Das wird sich ändern.« Harlan lächelte selbstzufrieden. »Schläft der Kleine?«
    »Was sollte er sonst tun, wenn er nicht gerade trinkt?«, sagte sie. »Ihr habt ein neues Geschäft verabredet?«
    »Es geht um Fuchs von Dornheim«, sagte Harlan. »Der Fürstbischof will eine große, schöne Krippe. Veit soll sie ihm schnitzen. Und das Holz dafür bekommt er von mir.«
    »Noch steht nichts auf dem Papier«, wehrte Veit Sternen ab. »Der Fürstbischof war heute ausgesprochen übler Laune. Schmeckte ihm gar nicht, dass er die Jagd im letzten Augenblick absagen musste. Aber das nächtliche Reißen hat ihn so gepiesackt, dass er sich kaum bewegen konnte.«
    »In diesem Zustand hast du ihn überredet?«, sagte Agnes und berührte ihn wie zufällig mit dem Arm. »Meine Hochachtung!«
    »Es war nicht weiter schwierig.« Veit rückte ab. Die Röte auf ihren Wangen vertiefte sich. Wieso hatte sie sich nicht mit Rosenwasser beträufelt? Das würde selbst den gleichgültigsten Mann wild machen, hatte eine Nachbarin ihr anvertraut. Aber gefiel ihm überhaupt noch, was er sah? Oder überlegte er gerade, wie er sich jemals auf sie hatte einlassen können? »Er scheint nur einer von denen zu sein, die sehr viel Zeit brauchen, um Entschlüsse zu fassen.«
    Er wandte sich zu Harlan, als sei sie gar nicht vorhanden.
    »Bisher hab ich vor allem mit Pappel gearbeitet. Und mit Zedern- und Pinienholz, drunten, in Neapel. Bei diesem Auftrag aber will ich es mit Linde versuchen.«
    Harlan wirkte ungeduldig.
    »Ich weiß genau, was du brauchst. Wir können sofort zum Lager fahren, damit du siehst, was alles auf Bestand ist. Soll ich anspannen lassen?«
    »Zum Lager? Lieber morgen. Ist schon lange her, dass ich dort war.«
    Etwas Heißes schoss Agnes in die Kehle. Sie spürte, wie ihre Brüste hart wurden. Plötzlich hasste sie den kleinen Johannes, noch mehr aber hasste sie ihren Mann. Was sollte sie mit Harlans hungrigem Kind – und den weiteren, die sie Jahr für Jahr gebären sollte, wenn es nach ihm ging?
    Der Krippenschnitzer war es, den sie begehrte. Sie krampfte die Hände in ihren Rock. Am liebsten wäre sie ihm um den Hals gefallen.
    »Dann wird es ja Zeit. Hast du Hunger? Die Frau kann für uns auftragen lassen.«
    Als ob sie seine Magd wäre! Sie hatte Harlan all die vergangenen Monate nur ertragen können, weil sie wusste, dass es Veit gab. Sie wollte bei ihm sein. Ohne Veit verloren die Dinge ihre Farbe, war die Welt ohne Glanz.
    »Geh selber«, sagte sie und schickte ein Lächeln hinterher, damit er nicht gleich wütend

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