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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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wurde. »Mir ist gerade nicht recht wohl. Der Kleine nimmt mich ganz schön her.«
    »Seh ich dich irgendwann wieder?«, flüsterte sie, als Harlan draußen war. »So wie früher?«
    »Du hast ein schönes Kind geboren«, erwiderte er. »Ich hätte längst schon zu eurem Stammhalter gratulieren sollen.« Er lächelte. »Ihr müsst sehr stolz sein, Harlan und du.« Er wirkte so fern, als hätten sie sich niemals berührt.
    Sie spürte, wie ein Zittern durch sie ging. Jeder Atemzug tat weh. Ihre Verzweiflung wuchs. Ihr Mut auch.
    »Veit, du musst mir glauben, dass ich nur …«
    »Ich hab der Magd Bescheid gesagt.« Harlans massige Gestalt war zurück und machte den kleinen Raum dunkler. »Sie bringt gleich Brot, Schinken und Bier.«
    Sie starrte Veit an. Nichts in seinem Gesicht bewegte sich.
    Rede, dachte sie. Mach irgendetwas, eine Geste, ein Zeichen, eine Bewegung, sonst geh ich zugrunde.
    Eine Ewigkeit geschah nichts.
    Plötzlich fiel ein verirrter Sonnenstrahl durch das Fenster. Veits Augen blitzten auf. Das helle Grün, das sie so verrückt gemacht hatte, vermischte sich mit Gelb und wirkte auf einmal tückisch.
    Teufelsaugen, dachte sie, die mich noch in den Abgrund bringen werden, wenn ich so weitermache. Etwas Kaltes legte sich um ihr Herz. Für einen Augenblick zweifelte Agnes.
    Dann aber war sie sich auf einmal sicher, dass er ihr heimlich zugezwinkert hatte.

    Es wurde warm in Avas Rücken, nun, da Veit endlich gekommen war, und sie wagte plötzlich nicht mehr, sich zu rühren. Nur ihre Hände arbeiteten weiter, ruhig, gleichmäßig, als ob ein anderer sie bewegte.
    Die Kinder mussten nicht wissen, was in ihr vorging. Sie war froh, dass sie sich endlich eingefunden hatten, durchfroren und zerlumpt, wie sie waren.
    »Bist du bald fertig?«, rief Kaspar, dessen Nase rot und spitz aus dem kleinen Gesicht stach. »Mein Bauch hat schon ein riesengroßes Loch, so leer ist er!«
    »Lass sie in Ruhe«, schalt ihn Lenz. »Wenn du sie dauernd störst, dauert es noch länger.«
    »Wieso geht ihr nicht einfach vor?« Alles hätte sie darum gegeben, jetzt allein zu sein. Allein mit ihm.
    »Ach, wir können doch genauso gut auf dich warten.« Kunis schlechte Laune war nur ungenügend kaschiert. Lenz und sie hatten sich gestritten. Ava spürte es, auch wenn sie nicht darüber sprachen. Aber sie schauten sich nicht an, hielten so krampfhaft Abstand, dass es jedem auffallen musste. Auch die Kleinen wussten genau, wie gereizt die Stimmung war. Sie sah es an ihren wachsamen Blicken, den verhaltenen Gesten. »Du weißt doch, dass wir immer zusammenbleiben.«
    Veit Sternen hatte sich inzwischen an Lenz und Lenchen vorbeigeschoben und stand nun direkt vor ihr. Viel zu lange starrte er in die nahezu leeren Körbe.
    »Forellen und Schleien sind schon aus«, sagte sie, weil sie das Schweigen zwischen ihnen nicht mehr ertrug. »Zander auch. Und was die Hechte betrifft, so gibt es nur noch …«
    »Ich bin spät, ich weiß«, sagte er. »Schön, dass ich dich überhaupt noch antreffe! Eigentlich sollte ich heute ja auf einer Jagd sein, aber die wurde abgesagt. Ich bin froh darüber. Aus dem Gemetzel mach ich mir nicht viel.« Er räusperte sich. »Wie es aussieht, brauch ich nach Äschen gar nicht erst zu fragen?«
    »Nichts mehr da. Keine einzige. Aber ich könnte neue räuchern«, sagte Ava. »Sobald ich einen frischen Fang bekomme.«
    »Und wann würde das sein?«
    Die Zeit schien stillzustehen. Seine Hände lagen auf dem rauen Holz des Verkaufsstandes. Breit waren sie, bedeckt mit zahlreichen kleinen und größeren Narben, die sein Handwerk verrieten. Bei aller Schwere hatten sie etwas Verletzliches, das sie berührte. Ava musste sich eisern zusammenhalten, um nicht ihre darauf zu legen.
    »Kommt ganz darauf an«, sagte sie. »Wenn es eilig ist …«
    »Sehr eilig.« Er lächelte.
    »Ich hab solchen Hunger«, maulte Toni. »Und Lenchen stößt mich dauernd. Aber nur, wenn du nicht hinsiehst. Ich bin schon voller blauer Flecken. Gehen wir endlich?« Er begann zu summen.
    »Sind das deine?« Veits Blick flog über die Kinder. »Alle fünf?«
    »Sozusagen.« Sie lächelte zurück. »Aber geboren hab ich sie nicht. Ich bin nur eine Art Hafen für sie. Eine Anlegestelle für schlechte Zeiten. Wenn sie satt sind, nicht mehr frieren und sich ausgeschlafen haben, ziehen sie wieder weiter. Und das ist mir ebenso recht. Denn ich bin gern für mich.«
    »Die Kleine auch?« Lenchen hatte sich an Avas Beine geschmiegt. Unter dem hellen

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