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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Süden uns voraus. Und eine reine, schlichte Frömmigkeit, die ich hier oft vermisse.«
    Die Tür ging auf. Ein schlanker Mann in mittleren Jahren kam herein, zurückhaltend gekleidet, mit blondem, leicht schütterem Haar.
    »Mein Hofastrologe, Damian Keller«, sagte von Dornheim. »Vater und Sohn Sternen, Krippenschnitzer ihres Zeichens. Wo war ich eben stehen geblieben?«
    »In Rom«, soufflierte Förner. »Bei dem Licht und der reinen Frömmigkeit.«
    »Genau. Mein Lieblingsthema. Eine Frömmigkeit, die das Herz berührt, nicht den Kopf. Um Christus zu lieben, brauchen wir keinen Verstand!«
    »Manchmal jedoch kann der Verstand sehr hilfreich sein«, sagte der Weihbischof. »Wenn er uns hilft, die Klarheit und Schönheit der jungfräulichen Gottesmutter zu begreifen …«
    »Ihr redet wie ein Jesuit«, fiel Fuchs von Dornheim ihm ins Wort. »Ich weiß, dass Ihr gebildet seid, studiert, belesen. Aber das Volk ist es nicht. Es soll einfach glauben, fühlen, beten – ohne dem Götzen des Wortes zu verfallen wie jene Abtrünnigen, die sich Protestanten schimpfen!«
    »Es gibt noch weitaus Schlimmere«, wandte Förner ein. »Jene, die ihre Seele verkauft und sich den Mächten der Finsternis verschrieben haben. Gerade jetzt, wo sie wieder ihre Fratzen erhoben haben, müssen wir schnell …«
    »Kein Wort von jenen Unseligen! Mir geht es um die Frommen, um die, die tun, was die Gebote des Herrn verlangen. Die, die wie Kinder mit reinen Seelen zum Himmel streben. Dabei wird die neue Krippe ihnen helfen. Deshalb muss sie so schlicht und ungekünstelt sein wie das Volk selber – und sehr, sehr groß. Um der Herrlichkeit Jesu gerecht zu werden.«
    »Ihr habt Glück, Exzellenz, denn die Zeichen stehen äußerst günstig für Euer Vorhaben«, mischte sich Keller ein und wies auf ein Stück Papier, das er in der Hand hielt. »Der Augenblick ist optimal gewählt, denn der wohltätige Jupiter beherrscht diese Stunde.« Sein Finger wies auf eine Stelle. »Sein Zeichen, der Schütze, geht gerade auf, noch kraftvoll in seinem eigenen Haus stehend, dem domus religionis. Eine wahrhaft vortreffliche Konstellation für ein so frommes Werk!«
    Der Fürstbischof wirkte zufrieden. Die Gegenwart seines Astrologen schien ihn zu entspannen. Während der gesamten Audienz hatte er immer wieder zu Simon geschaut, der schweigend dagestanden war, die Augen gesenkt. Manche verwechselten diese Haltung mit Schüchternheit, aber wer den jungen Sternen näher kannte, wusste, dass sich anderes dahinter verbarg: Konzentration und der Wille, sich durch nichts vom Wesentlichen abbringen zu lassen.
    »Und wie lautet die Meinung des filius in dieser Angelegenheit?« Auch beim näheren Hinsehen gewann Dornheims Gesicht nicht. Kleine, in Fett gebettete Augen, ein schlaffer Mund, die Nase scharfrückig. Unter dem Bischofskäppchen ragten krause, graumelierte Haarbüschel hervor.
    »Wer vor den Krippenberg tritt, soll sich zugehörig fühlen«, sagte Simon. »So wenigstens begreife ich es. Und es muss eine große Krippe sein, genau, wie Ihr es eben gesagt habt. Das macht es einfacher.«
    »Gut und klar geantwortet!« Die fleischigen Hände des Fürstbischofs nestelten an seinem goldenen Pektorale, ebenso üppig wie der Amethyst an seiner Hand. »Ein junger Mann, der sich seine Gedanken macht. Das gefällt mir.«
    »Es fällt leichter, wenn das, was man zu sehen bekommt, nicht zu fremd ist«, fuhr Simon fort. »Sonst bleibt man draußen und gelangt nicht vom Staunen zum Fühlen. Die Geschichte Jesu aber muss ganz nach innen.« Er berührte seine Brust. »Direkt ins Herz. Deshalb würde ich den Figuren Gesichter geben, wie man sie hier in der Stadt findet. Unter Freunden. Nachbarn. Oder durchziehenden Kaufleuten. Und ich würde sie auch dementsprechend kleiden …«
    »Was bedeutet schon äußerlicher Tand?«, unterbrach ihn Förner. »Wo es doch um die unsterbliche Seele geht – und nicht um den Körper. Ich fürchte, das Wesentliche bleibt bei dieser Betrachtungsweise auf der Strecke.«
    »Das glaube ich ganz und gar nicht.« Simon sah den Weihbischof furchtlos an. »Wenn die Figuren so aussehen wie Ihr und ich, dann ist es doch, als träfe ich meinen Nachbarn vor dem Stall. Und damit werde ich auf einmal selber Teil des Geschehens.«
    »Was er sagt, hat Hand und Fuß.«
    Der Fürstbischof erhob sich von seinem Sessel, den ein mächtiges Geweih krönte. Weitere Jagdtrophäen zierten die roten Wände. Er hatte zur Audienz in die Alte Hofhaltung auf dem

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