Die Hüterin der Quelle
gewesen.
»Einen Schluck Wasser, Braumeister Haller?«, fragte der junge Jesuit.
Haller nickte, und Adam schenkte ihm einen Becher ein. Er wartete, bis Pankraz ausgetrunken hatte. Dann nickte er dem Weihbischof und Vasoldt kurz zu.
»Ich glaube, meine Herren, wir können jetzt fortfahren.«
Nicht einmal der winterlichen Nachtluft wollte es gelingen, sein aufgewühltes Herz zu kühlen. Die Teufel waren zurück, fuhrwerkten in seinem Inneren herum mit glühenden Haken und piesackten ihn so unerbittlich, dass nicht einmal der Stachelfreund mehr dagegen ankam. Alles hatte Friedrich Förner schon versucht: unzählige Ave-Maria gebetet, sich bäuchlings auf den eisigen Steinboden von St. Martin gelegt, bis er zu zittern begann. Schließlich hatte er sogar seine Höhenangst überwunden und war die steilen Stufen des Turms hinaufgestiegen, doch selbst hier, hoch über den Dächern der dunklen Stadt, fand er keine Linderung.
Die sieben Hügel Bambergs, den sieben Hügeln der Ewigen Stadt nachempfunden!
Bamberg war sein Rom, seine Stadt – auch wenn dort unten Fürstbischof und Rat abwechselnd um die Herrschaft stritten. Dass er sie jetzt nicht sehen, sondern nur erahnen konnte, ließ die nächtlichen Dämonen, die ihm zusetzten, noch lebendiger werden. Für einen Moment glaubte er sogar wüstes Katzengezeter zu hören, aber das war wohl nur seine überhitzte Fantasie, die ihm diesen Streich spielte.
Er beugte sich vor, um ganz sicherzugehen. Dabei knirschte das halbhohe Holzgerüst, neigte sich gefährlich nach vorn. Förner sprang erschrocken zurück. Die letzte Stelle, die noch durch ein Eisengitter ersetzt werden musste. Dann war sein großartiger Turm mit der Goldhaube endlich vollendet.
Jetzt kreisten seine Gedanken um Thies.
Der Jesuit hatte seinen Rosenkranz nicht nur an sich genommen, sondern auch noch gewagt, ihm damit zu drohen. Die Geste war unmissverständlich gewesen, hatte Förner abrupt zum Schweigen gebracht, auch wenn vermutlich kein anderer im Raum sie verstanden hatte. Doch darauf konnte er sich nicht verlassen. Wer wusste schon, zu welch anderen Ungeheuerlichkeiten jener noch fähig war?
Was wusste Thies? Was ahnte er nur? Auf wen konnte er sich im schlimmsten Fall berufen, um noch mehr, um alles zu erfahren?
Fragen, auf die Förner keine Antwort fand.
Aus Rom kannte er ihn, was die Sache nicht besser machte, denn bereits damals war er ihm suspekt gewesen. Adam Thies sah nicht aus wie ein Kirchenmann, er sprach und bewegte sich nicht wie ein Diener Gottes. Alles an ihm strotzte vor männlicher Kraft; allein diese geballte Körperlichkeit hätte schon genügt, um Förner abzuschrecken. Zudem machte es ihn misstrauisch, auf welche Weise der andere die Herzen der Vorgesetzten eroberte, scheinbar beiläufig, wie im Vorübergehen, und nicht daran dachte, sich demütig dem Gelübde des Gehorsams zu unterwerfen, das doch für alle Mitglieder des Ordens verpflichtend war.
Die Oberen schienen es nicht einmal zu bemerken, und wenn doch, so machte es ihnen offenbar nichts aus, weder im fernen Rom noch hier, in Bamberg. Thies stand unter dem speziellen Schutz des Fürstbischofs, konnte sich offen damit brüsten, sein Vertrauen zu besitzen. Förner machte sich keine Illusionen darüber, weshalb Fuchs von Dornheim ausgerechnet diesen Mann zurückgeholt hatte: um ihm Daumenschrauben anzulegen. Dabei konnte nur eines Bamberg vor der endgültigen Herrschaft Satans bewahren: reinigende Feuer, deren Flammen zum Himmel stiegen und in denen die befleckten Leiber der Unholde zu Asche verbrannten.
Sein Weg. Sein Ziel. Seine Aufgabe.
Langsam wurde sein Atem ruhiger, und das Gefühl von Leere und Trostlosigkeit, das ihn in den vergangenen Stunden gequält hatte, ebbte ab. Er durfte sich nicht von seinem heiligen Krieg gegen das Böse abbringen lassen. Schon gar nicht von einem Mann wie Thies. Gott war auf seiner Seite, und wenn er nur aufmerksam genug war, würde sich ihm endlich auch das Zeichen der göttlichen Jungfrau offenbaren, nach dem es ihn so schmerzlich verlangte.
Er beschloss, logisch vorzugehen, der Reihe nach, und ließ vor seinem inneren Auge die Szenen im Verhörraum erneut ablaufen. Adam Thies war ein ernst zu nehmender Gegner, aber kein unbesiegbarer. An einem Punkt war er beinahe ins Straucheln gekommen, just in dem Augenblick, in dem Pankraz Haller seine Tochter Marie erwähnt hatte.
War er deshalb im Gasthof seines Vaters abgestiegen anstatt im Collegium, weil er insgeheim weiterzuführen
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