Die Hüterin der Quelle
leiden?«
»Wir alle leiden darunter«, sagte Haller. »Die ganze Stadt und das Umland dazu. Lasst uns beten, dass der gütige Herr uns im nächsten Jahr gnädiger sein wird!«
»Doch Ihr braut nach wie vor, während die anderen vor nahezu leeren Fässern sitzen – und das in beachtlichen Mengen, wie man hört. Wie lässt sich das erklären?«
»Der Fürstbischof ist ein anspruchsvoller Kunde. Und ein sehr durstiger dazu.« Seine Hände begannen leicht zu zittern. Pankraz Haller verschränkte sie ineinander, um sie unter Kontrolle zu halten. »Ich muss mir immer wieder Neues ausdenken, um seine Wünsche zu befriedigen. Doch ich tue es gern.«
»Verhält es sich in Wirklichkeit nicht ganz anders? Schneider behauptet, Ihr hättet spezielle Lieferanten.« Der Weihbischof strich über seinen Bart. »Direkt aus der Hölle! Denn Eure Gerste ist verhext. Sonst würde sie sich wohl kaum auf wundersame Weise vermehren.«
»Das tut sie nicht, sonst hätte ich bedeutend weniger Sorgen.« Es gelang ihm, einigermaßen ruhig zu antworten. »In vielen Jahren des Brauens hab ich gelernt zu wirtschaften. Vielleicht ist es das, was mich von anderen meines Handwerks unterscheidet.«
»Und was ist mit Euren Gedanken, Ratsherr Haller?«
Förner hatte sich erhoben, stand nun direkt vor ihm. Ein unangenehmer Geruch ging von ihm aus, süßlich, leicht metallisch. Er riecht nach Blut, dachte Pankraz. Nach gestocktem Wundsekret. Er spürte, wie Ekel in ihm hochstieg. Am liebsten wäre er aufgesprungen und hinausgerannt. Aber es blieb ihm nichts anderes übrig, als sitzen zu bleiben und die widerliche Nähe zu ertragen.
»Welche Gedanken?«, sagte er vorsichtig.
»Habt Ihr Euch nicht gegen jemanden im Geist versündigt? Oder gar dem Teufel ein Versprechen gegeben? Eure unsterbliche Seele gegen unbegrenzte Gerstenlieferungen …«
»Haltet ein, Monsignore«, unterbrach ihn Adam Thies, »wir sind doch nicht in einer Drutenbefragung! Braumeister Haller wird von uns als Zeuge vernommen, nicht als Beschuldigter. Gegen ihn liegt keinerlei Anklage vor. Das habt Ihr sicherlich für einen Augenblick vergessen.«
»Mein Gedächtnis funktioniert ausgezeichnet. So weiß ich beispielsweise, dass jener Mann eine Lahme von übelstem Ruf in sein Haus aufgenommen hat. Als Buhlschaft, wie jeder in dieser Stadt weiß.«
»Hanna Hümlins Leumund ist tadellos«, sagte Pankraz. »Sie führt mir lediglich den Haushalt.« Sein Tonfall bekam eine gewisse Schärfe. »Im Angesicht Gottes ist niemand verkrüppelt, das hat Jesus selbst gesagt. Es sei denn, in seiner Seele. Und für Hanna Hümlin würde ich beide Hände ins Feuer legen. Wir sollten uns nicht über die körperlichen Gebrechen anderer erheben, sondern Gott dafür danken, wenn er uns davor verschont. Ich verlange, dass das ebenfalls zu Protokoll genommen wird!«
»Ein bis ins Mark verderbtes Weib. Ihre Mutter wurde bereits auf dem Scheiterhaufen verbrannt«, keifte Förner. »Wieso von allen Frauen Bambergs ausgerechnet die junge Hümlin? Weil Euch ihre Nähe zu Satan mehr als gelegen kommt?«
»Mit dem Teufel hab ich nichts zu tun. Und meine Wirtschafterin ebenso wenig.«
»Beweist es!«
»Beweist mir das Gegenteil!« Hallers Hals färbte sich rot, die bläulichen Adern traten dick hervor.
»Zurück zum Felsenkeller, meine Herren!«, forderte Adam. »Es gibt noch so viele Fragen, die einer Klärung bedürfen.«
Doch Förner war nicht mehr zu halten.
»Wie ist der Feind bei dir vorgegangen, Haller? Klang seine Stimme lieblich und lockend? War es ein Weib, das dich willig machen sollte? Hat sie gebettelt? Dich gereizt? Du lebst seit langem allein, bist daher anfällig gegenüber fleischlichen Versuchungen. Wahrscheinlich war genau das der Weg zu deiner unsterblichen Seele!«
»Monsignore!« Adams Stimme war schneidend geworden. »Ich bitte Euch – die Regeln!«
»Was bildest du dir ein, Thies?« Förners Stimme wurde immer giftiger. »Wenn ich den Teufel riechen kann – und das kann ich –, führe ich die Fragen nach meinem Gusto, verstanden? Ich bin nur Gott verpflichtet, unserem Herrn, niemandem sonst …«
Er verstummte abrupt, sah plötzlich aus wie ein zerrupfter schwarzer Vogel, der einen eiskalten Guss abbekommen hat. Adam Thies hatte einen Rosenkranz mit großen Korallenperlen aus der Tasche gezogen und vor sich auf den Tisch gelegt. Ein kostbares Stück, das noch eindrucksvoller gewirkt hätte, wäre das stattliche Kreuz, das an seinem Ende baumelte, nicht zerbrochen
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