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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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sehen. Viele Menschen.«
    Sie hob den Blick, sah ihn mit blanken Augen an.
    »Aber ich will nicht dazugehören! Ich hab meine Mutter im Feuer schreien hören, verstehst du, Braumeister? Solche Schreie vergisst du ein ganzes Leben nicht mehr. Wenn man das, was ich jetzt führe, überhaupt ›Leben‹ nennen kann.«
    Sie schaute auf ihre Hände, und Pankraz Haller tat es auch. Sie waren rissig und rau, verrieten, wie hart ihr Tagwerk war.
    »Du bezahlst noch immer für ihren Tod?«, sagte er.
    »Ein Scheiterhaufen ist sehr teuer.« Ihr Ton war bitter. »Und jede Folterung muss einzeln beglichen werden. Ganz zu schweigen von der Entlohnung der Drutenkommissare, deren Speisen und Getränken …« Sie schüttelte sich. »Bis zu meinem seligen Ende werd ich den Schuldenberg nicht abtragen können, und wenn ich Tag und Nacht schufte!«
    »Ich könnte dir dabei helfen«, sagte er. »Für mich wäre es einfacher.«
    Ihr Blick verriet, wie überrascht sie war. »Warum solltest du das tun?«
    »Weil ich dich mag, Hanna. Aber das weißt du ja längst.«
    Noch als er sich später schlafen legte, spürte Pankraz Haller, wie ihm die Hitze in den Hals geschossen war, als sie plötzlich eine Bewegung gemacht hatte, beinahe als wolle sie ihn umarmen. Wie das Blut schwer zwischen seine Beine gesackt war! Und wie laut sein Herz auf einmal geschlagen hatte.
    Doch es war vorüber gewesen, bevor es noch richtig begonnen hatte. Jetzt war sie fort und er wieder allein mit seiner Einsamkeit. Seiner Begierde. Er drehte sich auf den Rücken, schloss die Augen. Seine Hand fuhr unter die Decke. Er war gewohnt, allein damit fertig zu werden – bis das Geräusch bloßer Füße auf Holz seine Aufmerksamkeit erregte.
    Hanna stand neben seinem Bett. Im Mondlicht schimmerte ihr Körper hell wie eine geschälte Zwiebel. Sie war nackt bis auf das schwere Bernsteinherz zwischen ihren Brüsten. Zwischen ihren Beinen ein rötliches Vlies.
    »So wirst du dir noch den Tod holen«, sagte er mit trockenem Mund.
    Ein feines Lächeln. Wärme schoss in seinen Leib. Sie wechselte von einem Bein auf das andere und sah plötzlich aus wie ein junges Mädchen.
    »Dann lass mich lieber schnell zu dir unter die Decke.«

    Zu Avas Überraschung war das Holzlager verschlossen. Sie umrundete das lang gestreckte Gebäude, das am Stadtrand lag, wo Grund und Boden noch billig zu haben waren, konnte aber keine Spur von Leben entdecken. Nirgendwo sah sie Pacher; auch der kräftige junge Mann, der ihm sonst als Gehilfe zur Hand ging, war offenbar nicht da.
    Sie war außer Atem, weil sie sehr schnell gegangen war, um nicht zu frieren. Seit ein paar Tagen stöhnte Bamberg unter winterlicher Kälte; sie musste die Kinder öfter zum Holzsammeln schicken, damit es im Haus einigermaßen warm blieb. Eine plötzliche Müdigkeit überkam sie, die sie jetzt manchmal spürte, als verbrauche das kleine Wesen, das in ihr wuchs, ihre gesamte Energie, aber Ava ließ sich dadurch nicht von ihren Plänen abhalten.
    Sie drehte um und ging den Weg zurück langsamer, bis sie in der Langen Gasse angelangt war. Angesichts der prachtvollen Bürgerhäuser mit ihren Giebeln, aufgesetzten Türmchen und blanken Butzenscheiben kamen ihr Tonis Worte über die Druten wieder in den Sinn. Er hatte seitdem nicht mehr in ihrer Gegenwart davon gesprochen, aber sie spürte, dass die ganze Angelegenheit noch immer in ihm rumorte. Ein Stück weiter sah sie das Haus, in dem die Sternens lebten, und für einen Augenblick durchfuhren sie wehmütige Gefühle.
    Veits Mund an ihrem Hals, sein Atem, sein Schrei. Im größten Glück der Schmerz des Abschieds.
    Und ihre jähe Freude, als sie am nächsten Morgen Mathis’ Gruß vor dem Haus entdeckt hatte. Doch seitdem keine Spur mehr von ihm. Sie hatte sogar Bastian Mendel nach ihm gefragt, als er ihr einen riesigen Forellenfang gebracht hatte, sich aber nur eine knurrige Antwort eingehandelt.
    »Tot ist er mir eigentlich am liebsten, das weißt du doch genau. Was ist jetzt? Brauchst du auch noch Hechte, Ava?«
    Sie ließ den Klopfer gegen die Türe schlagen, bevor die Erinnerungen übermächtig werden konnten. Eine junge Magd mit geflochtenem Haarkranz und ängstlichen Augen öffnete.
    »Ich will zu Pacher«, sagte Ava.
    »In welcher Angelegenheit?«
    »Das sag ich ihm am besten selber. Ist er da?«
    Die Magd nickte.
    »Aber ich weiß nicht, ob er Besuch …«
    Zwei Mädchen drängten sich an ihr vorbei.
    »Er sitzt in der Stube und trinkt«, sagte die Kleinere. »Seit

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