Die Hüterin der Quelle
vernünftiger Männer ein, der Leitner, Ewald Kraus zum Beispiel, die Gebrüder Wildenberger, du wirst schon sehen! Ich lege eine Liste an. Die gehen wir anschließend gemeinsam durch. Und dann natürlich der Fürstbischof. Der vor allen andern. Es muss uns gelingen, ihn für unsere Sache zu gewinnen.«
»Fuchs von Dornheim? Niemals! Seit Förner ihm den Einzug auf den Domberg verschafft hat, ist er ihm doch verpflichtet. « Er klang plötzlich gehetzt. »Oder kommst du deswegen auf die Idee, weil du unbedingt sein Hoflieferant sein willst?«
»Unsinn! Wenn er sich für das Storchenbier entscheidet, dann, weil es das beste in Bamberg ist. Und falls nicht, kann ich auch damit leben. Er liebt Gold, Kilian, gutes Essen und die Katholische Liga. Das heißt aber nicht, dass er nicht denken kann. Rechnen jedenfalls kann er. Überleg doch mal: Druten zu brennen ist eine kostspielige Angelegenheit. Und unser Fürstbischof investiert seine Taler sehr viel lieber in aufwändige Jagden, Juwelen und kostbare Monstranzen.«
Jetzt war es Haag, der seine Stimme senkte.
»Schickt man arme Leute ins Feuer, dann muss die Staatskasse für die Kosten bluten. Knöpft man sich aber wohlhabende Bürger vor, sieht die Sache anders aus. Ihr Vermögen lässt sich konfiszieren. Und daran könnte Dornheim sehr wohl Interesse haben.«
»Du hast Angst, Kilian«, sagte Pankraz Haller. »Zum ersten Mal, seit ich dich kenne, sehe ich dich so.«
»Ja«, sagte der Kanzler. »Und nicht nur um mein Leben. Sondern auch um unsere Stadt.«
Seine Worte beschäftigten Haller, als er den Stephansberg hinaufging. Wenn schon Männer wie Kilian Haag mutlos wurden – wie mochten dann erst andere reagieren?
Der Nachmittag war warm, aber noch immer hing der Schatten der Frostnacht über Bamberg. Es war etwas Unfassbares, etwas, das sich nicht greifen ließ, aber trotzdem da war.
Nicht nur er spürte es. Alle in der Stadt taten es.
Schweißtropfen sammelten sich in seinem Nacken. Auf halber Strecke zog er den Rock aus und krempelte die Ärmel hoch. Eigentlich hatte er vorgehabt, Schneider zu der Begehung mitzunehmen, sich aber dann doch dagegen entschieden. Er hatte keine Lust, sich wieder dessen abergläubisches Gebrabbel anzuhören! Er hatte sogar erwogen, seinen Braugesellen zu entlassen, aber das würde nur böses Blut geben, und deshalb verwarf er den Gedanken wieder. Solange Schneider seine Arbeit tat, konnte er im Brauhaus bleiben.
Er atmete erleichtert aus, als er die Kühle des Stollens spürte. Mit dem Jungbier schien dieses Mal alles in Ordnung, aber Haller war kein Mann, der sich auf Zufälle verließ. Was vor kurzem geschehen war, konnte sich jeden Tag wiederholen, solange er nicht herausgefunden hatte, was der Grund dafür gewesen war.
Unzählige Male war er in Gedanken alles durchgegangen. Aber es blieb nur eine Lösung: Sie mussten einen anderen Ort finden und probieren, ob es dort besser lief. In alten Familienschriften hatte er einen Plan entdeckt, auf dem weitere Stollen eingezeichnet waren. Sie waren höher, was die Arbeit erleichtern würde, und schienen noch tiefer in den Berg hineinzuführen. Dies könnte ein Vorteil für die Lagerung sein.
Irgendwann einmal hatte man sie verschlossen, aus Gründen, die er nicht kannte. Aber wenn er sich nicht täuschte, müsste es ein Leichtes sein, sie mit dem bisherigen Netz zu verbinden. Dafür waren nur ein paar Männer nötig. Männer, die den Mund halten konnten. Und die nicht irgendwann im Schutz der Nacht versuchten, sich an seinem Bier zu vergreifen.
Mit der Fackel in der Hand ging Pankraz Haller weiter. Ab und zu überprüfte er seinen Standort mit Hilfe des alten Plans. Wer auch immer ihn gezeichnet hatte, er hatte präzise gearbeitet. Einen Hammer für sein Vorhaben hatte er schon ein paar Tage früher hier deponiert. Immer wieder klopfte er damit gegen die Felswand, bis der Ton sich schließlich änderte. Das Licht flackerte. Feiner Staub rieselte herunter. Er nickte zufrieden und markierte die entsprechenden Stellen mit dicken Kreidekreuzen.
Dahinter befand sich offenbar, wonach er gesucht hatte. Glückte sein Vorhaben, so war damit gleichzeitig auch eine weitere Schwierigkeit gelöst. Er brauchte mehr Platz. Für neue Gärbottiche und weiteren Lagerraum. Haag hatte richtig getippt, als er ihn auf den Fürstbischof angesprochen hatte.
Ja, er rechnete damit, Hoflieferant zu werden. Bereits im vergangenen Jahr waren die Verhandlungen nahezu beendet gewesen, als eine
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