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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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inneren Unruhe fertig zu werden. Der Mond rundete sich. Zwei, höchstens noch drei Nächte, dann wären sie endlich zusammen. Sie wollte keine Zeugen für diese Begegnung, auch nicht die Kinder. Inzwischen war es draußen wieder so warm geworden, dass sie ohne Mühe ein anderes Quartier finden konnten. Mit den Kleidern, die heute Abend als Überraschung auf sie warteten, würden vielleicht sogar die Almosen wieder reichlicher fließen.
    Lenchens Augen wurden groß, als Ava die Truhe in ihrer Kammer öffnete. Sie ließ sie in den Stoffen wühlen, bis sie schließlich ein blaues Kinderkleid herauszog.
    »Das gefällt dir?«, sagte Ava.
    Lenchen nickte.
    »Eigentlich wollte ich es ja aufheben. Für meine Kleine, irgendwann. Aber nun sollst du es bekommen.«
    Lenchen presste es fest an sich.
    »Musst es nicht gleich zerreißen«, sagte Ava. »Niemand wird es dir wieder wegnehmen. Aber zuvor wird gebadet. Und keine Widerrede!«
    Den Schal ließ die Kleine sich noch abnehmen, während das Wasser schon im Bottich dampfte, aber als Ava das Kleid mit dem zerrissenen Kragen aufknöpfen wollte, sträubte sie sich.
    »Du stinkst wie ein Iltis«, sagte Ava und ließ sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen. »Sogar Reka riecht besser als du.« Schließlich fiel das alte Kleid zu Boden und gab ein nicht minder schmutziges Hemdchen preis.
    »Die Kette auch«, sagte Ava.
    »Das darf ich nicht«, flüsterte Lenchen. »Niemals. Die Mutter hat es verboten.«
    Jetzt erst entdeckte Ava das Kreuz, das am unteren Ende baumelte. »Ein Rosenkranz«, sagte sie überrascht. »Mit schönen roten Perlen. Ob die echt sind? Keine Angst, du bekommst ihn wieder, sobald du sauber bist.«
    Die Kleine ließ ihn sich abstreifen.
    »Und was ist das?«
    Bräunlich zeichneten sich von der hellen Haut des dünnen Halses zwei gebogene Spitzen ab.
    »Das sind Teufelshörner, hat die Mutter immer gesagt.« Lenchen begann zu weinen. »Aber man sieht sie nicht. Niemand kann sie unter den Haaren sehen.«
    »Sie fehlt dir?« Ava zog sie sanft an sich.
    Das Mädchen schluchzte. »Sie war so weich. Und sie hat so gut gerochen. Ich wünschte, ich wäre schon bei ihr im Himmel!«
    »Damit kannst du ruhig noch ein Weilchen warten, Lenchen. Außerdem wirst du gleich so gut riechen wie sie, das verspreche ich dir.«
    Ava hob sie hoch, trug sie zum Bottich und setzte sie hinein. Sie ließ ein paar getrocknete Blütenblätter ins Wasser fallen und verteilte sie. Über Nacht hatte sie Lenchens Kopf dick eingerieben, aber die Nissen waren hartnäckig. Sie musste sie von jedem Haar einzeln abziehen, das konnte Stunden dauern. Nicht einmal die stärkste Tinktur aus Herbstzeitlosen würde ihnen den Garaus machen.
    »Die Haare müssen ab«, sagte Ava entschlossen und setzte ihre Schere an. »Alle!«
    »Aber ich bin doch ein Mädchen, kein Junge! Und wenn das Mal ...«
    »Ach was, Junge! Wer einen so hübschen Kopf hat wie du, der braucht keine Haare. Außerdem wachsen sie ja wieder.«
    Die Kleine wehrte sich nicht. Strähne um Strähne fiel zu Boden.
    Irgendwann war Ava fertig.
    Lenchen hatte die Augen geschlossen. Auf ihrer hohen Stirn sammelten sich Schweißtropfen. Mit der hohlen Hand schöpfte Ava Wasser auf das Köpfchen und verrieb etwas Seifenkraut. Sie spülte es aus. Sauber und friedlich wie ein satter Säugling sah die Kleine nun aus.
    »Gefällt dir das Baden?«
    Lenchen nickte, ganz entspannt und rosig von der Wärme.
    Zart berührten Avas Fingerspitzen das Mal.
    »Und das mit den Teufelshörnern vergessen wir auch«, sagte sie. »Du brauchst dein Mal nicht länger zu verstecken. Du kannst es nicht einmal mehr, jetzt, wo die Haare ab sind.«
    »Nein?«, sagte Lenchen.
    »Nein. Du trägst nämlich die Mondsichel am Hals. Und alle Kinder, die das tun, sind Glückskinder.«

    Er lag in der Kammer, das Gesicht zur Seite gedreht, und schlief. Zum Glück war heute sein Appetit besser gewesen. Und er hatte sich auch nicht mehr ganz so heiß angefühlt. Einen Bader hatte sie trotzdem nicht rufen dürfen, und auch nicht den krummbeinigen Wundarzt, der in der Stadt die gebrochenen Knochen schiente; aber damit hatte sie auch nicht gerechnet.
    Es machte ihr nichts aus, dass Veit krank war, jetzt, wo Besserung in Sicht war. Nun war er ganz in ihrer Obhut, und sie konnte für ihn sorgen, wie sie es am liebsten tat. Wenn das Haus so still und friedlich war wie jetzt, kam es ihr vor wie ein großes, kostbares Ei: innen weich und lebendig, voller Leben, äußerlich geschützt von

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