Die Hüterin der Quelle
wo neben den einfachen Holzbottichen auch Kupfer- und Messingwannen standen, die reichlich Zuspruch fanden. Der Rupfenvorhang dämpfte die Geräusche von nebenan: das Plätschern von Wasser, das Schlurfen vieler Füße auf dem feuchten Steinboden, die tiefen Stimmen der Männer, das hellere Lachen der Mägde. Ab und zu schwebten helle Dampfwolken herein, ein Zeichen, dass die Flusssteine heiß genug waren und Stoiber sein Handwerk verstand.
»Was ist es?«, sagte Veit. »Und sag mir ruhig die Wahrheit. Du brauchst mich nicht zu schonen!«
»Das weißt du nicht?« Stoiber hatte weißblonde Haare und ein mageres, verdrießliches Gesicht. »Da muss ich kein großes Geheimnis draus machen. Die Gicht, was sonst? Damit bist du allerdings in bester Gesellschaft – Fürsten, Pfaffen, Könige, sie alle leiden daran.«
»Aber im Gegensatz zu mir schnitzen sie kein Holz und brauchen daher auch keine geschmeidigen Finger.« Er streckte seine Hände vor. »Es hätte mich zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt treffen können. Siehst du, wie sie aussehen? Wie bei einem Greis. Und wie es sich anfühlt – zum Davonlaufen!«
»Wird bald besser werden.« Der Bader griff nach seinem Messer. »Vertrauen und Geduld – lass mich nur machen. Die Armbeuge brauche ich«, verlangte er. »Krempel den Ärmel hoch.«
»Was hast du vor? Und was ist das da?«
»Der kleine Freund in meiner Hand? Mein Fliet. Der hat schon so manches rote Tröpfchen fließen lassen. Kannst du Blut sehen?«
Veit machte eine unbestimmte Kopfbewegung.
»Also nein. Wie die meisten Männer. Dacht ich mir schon. Da sind die Weiber tapferer. Wird nicht plätschern, versprochen! Dreh dich zur Wand, und denk an etwas Schönes. Sterben wirst du nicht daran, das garantier ich dir.« Der Schnitt war auszuhalten, ein kurzes Brennen. Dann rann das Blut langsam in das Gefäß. »Hätt dir ja auch meine fleißigen Egelchen ansetzen können. Aber wenn die erst mal zu schmatzen beginnen – das mögen die meisten deiner Geschlechtsgenossen noch viel weniger.«
Veit hielt die Augen geschlossen. Erst als Stoiber seinen Arm verband, schaute er wieder zu ihm.
»Das wiederholen wir jetzt dreimal«, sagte er. »Im Abstand von ein paar Tagen. Danach solltest du dich deutlich wohler fühlen. Und halt dich beim Essen und beim Saufen zurück. Sonst ist meine ganze Kunst vergebens.«
»Ist das alles?«, sagte Veit, während er sich aufsetzte. Er spürte ein Rauschen im Kopf, eine leise Schwäche, die sich nicht unangenehm anfühlte. »Ich meine, muss ich sonst noch etwas beachten?«
»Die Weiber, meinst du?« Stoiber lachte. »Ihr Kerle seid doch alle gleich! Sieht leider nicht mehr rosig aus bei meinen Mädchen, wenn du das meinst. Die guten alten Zeiten, wo das vornehme Bamberg täglich harte Gulden bei mir ließ, sind wohl für immer vorbei – und geschickte Badereiberinnen, wie es sie früher zuhauf gab, sind rarer geworden als Gold.«
Sein Blick wurde träumerisch, dann fasste er sich wieder.
»Aber was soll’s? Jetzt leben wir, jetzt spielt die Musik! Also, zurück zum Geschäft: Gesche hat sich den Venusfluss zugezogen. Traute drangsaliert ein eifersüchtiger Galan, der wie ein scharf gemachter Gockel auf jeden Freier losgeht. Katharina ist hochschwanger – das mögen nur die allerwenigsten. Und die zarte kleine Blonde …«
»Gundel? Die hab ich schon eine Ewigkeit nicht mehr bei dir gesehen.«
»Wie denn auch? Tot ist sie. Die Lunge – noch vor dem Wintereinbruch ist sie plötzlich gestorben. Aus der hätt vielleicht was werden können. Hübsch genug war sie. Aber das muss ich dir ja nicht sagen. Hast dich selber mehr als einmal mit ihr vergnügt. Aber traurig, immer traurig. Lag vielleicht an ihrer Kleinen, die sie ständig mit sich herumgeschleppt hat. Hab ihr immer wieder gesagt, das hier ist kein Ort für Kinder. Aber hat sie auf mich gehört? Mitnichten! Da war nichts zu machen.«
Stoiber hatte den Vorhang zurückgeschlagen und musterte seine arbeitenden Bademägde kritisch.
»Barbell? Nein, an der stößt du dir bloß die Knochen wund, so dürr ist sie. Vielleicht die Martha. Ja, die noch am ehesten. Ein Hintern wie ein Brauross und ein Paar himmlischer Brüste. So viel Fleisch und Weib, das wär doch was! Und sanft kann sie sein, sanfter als ein Engel. Soll ich sie dir kommen lassen? Sieht aus, als sei sie gerade frei.«
»Bemüh dich nicht! Es war nur eine Frage.«
»Ach, du hast eine andere im Sinn?« Stoiber kam ihm so nah, dass er jedes
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