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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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auch schon umgesehen.«
    »Kannst du uns nicht einen Rat geben, wo wir doch noch fündig werden?«, sagte Marie. »Du kommst überall herum. Und für uns ist es wirklich eilig.«
    Der Frankfurter rieb seine hölzerne Elle zwischen den Fingern. Voller Stolz hatte er vorher mehrmals betont, dass sie exakt demeingeritzten Maß an der Adamspforte des Bamberger Doms entsprach.
    »Zufriedene Kundinnen sind mir das Wichtigste, egal, ob sie einen Ballen wollen oder nur auf Restposten aus sind. Es gibt auf dieser Welt alles zu kaufen. Man muss nur wissen, wo.«
    »Und du weißt es.« Es begann ihr Spaß zu machen, seine Eitelkeit zu reizen. »Verrätst du es uns auch?«
    »Natürlich.« Er schien ihren Spott nicht zu bemerken, oder er überhörte ihn geflissentlich. »Früher kamen solche Artikel vor allem aus Flandern. Aber heutzutage muss man schon nach Italien gehen, wenn man etwas Besonderes will. Einige Tuchfabrikanten in Prato könnten euch womöglich weiterhelfen. Die Stoffbörse in Verona. Oder ihr entscheidet euch gleich für Mailand. Was ihr dort nicht findet, findet ihr nirgendwo.«
    »Ich hab lang genug in Neapel gelebt«, sagte Veit. »Über Italien weiß ich Bescheid. Aber jetzt sind wir in Bamberg. Und der Weg über die Alpen ist gefährlich und weit.«
    »Wenn ihr alles schon wisst, wieso stehlt ihr mir dann meine Zeit?«
    Das Grinsen, das er eiligst aufsetzte, sollte zwei ältere Frauen anziehen. Aber sie schienen es sich im letzten Moment anders zu überlegen und schwenkten ab, bevor er seine Lockrufe ausstoßen konnte. Sein Gesicht verfinsterte sich wieder.
    »Lass uns gehen!« Veit packte seine Stoffe. »Hier kommen wir doch nicht weiter.«
    »Weißt du eigentlich, wo sie steckt?«, rief ihm der Frankfurter hinterher.
    »Wer?« Veit, schon im Gehen, drehte sich halb um.
    »Na, wer schon? Ava! Hab mich die ganze Zeit auf dem Kahn hierher auf sie gefreut. Diese Kratzbürste hat wirklich was, was anderen fehlt! Aber gestern hat sie sich nirgendwo blicken lassen. Und heute auch nicht. Ist sie vielleicht krank?«
    »Woher soll ich das wissen?« Veits Stimme bekam einen gefährlichen Unterton. Jetzt riss er Marie beinahe mit sich, so eilig hatte er es auf einmal wegzukommen.
    Sie blieb stumm, bis sie zu Hause angelangt waren.
    »Wer ist diese Ava?«, sagte sie, als sie die Werkstatt betraten. »Wieso hat er sie als Kratzbürste bezeichnet? Und hast du mit ihr zu tun?«
    »Hast du nicht gehört, was ich ihm geantwortet habe?«
    Veit legte seine Einkäufe auf den Zeichentisch. Simons erwartungsvolles Lächeln erlosch, als er das Paket geöffnet hatte.
    »Das soll alles sein? Also, das hab ich mir anders vorgestellt!«
    »Ich auch«, sagte Veit. »Das darfst du mir glauben. Leider war die Auswahl mehr als dürftig und das hier das Einzige, was überhaupt in Frage kam. Wir sind nicht mehr im Süden. Das merke ich jeden Tag deutlicher.«
    »Weshalb hat dich der Fettwanst dann nach ihr gefragt?« Marie war entschlossen, nicht nachzugeben. Schließlich ging es darum, dass ihre Welt keine Risse bekommen durfte. Aber anlügen lassen wollte sie sich auch nicht. »Du musst sie kennen!«
    »Ich denke, wir sollten die Idee mit den Stoffen vergessen«, sagte Simon. »Wenn die Gewänder nicht prächtig genug ausfallen, könnte es mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen. Weshalb sind wir nicht so selbstbewusst, Vater, die Schnitzereien für sich wirken zu lassen? Du weißt ja, ich war von vornherein skeptisch!«
    »Weil zu viel davon abhängt«, sagte Veit. »Und wir damit beauftragt sind, Gliederpuppen zu fertigen – keine Holzplastiken wie unsere bozzetti . Kennst du den Fürstbischof gut genug, um zu wissen, wie es mit seiner Vorstellungskraft aussieht? Was, wenn er keine Fantasie besitzt und sich das Endergebnis nicht vorstellen kann? Außerdem liebt er es prächtig. Hast du nicht sein Schloss gesehen, die Juwelen, die er trägt? Auf seinen Geschmack kommt es an, Simon. Er ist unser Auftraggeber!«
    »Aber es ist doch unsere Handschrift. Unser Werk«, beharrte Simon. »Die Figuren werden noch da sein, wenn wir nicht mehr sind, du und ich ebenso wie von Dornheim. Wir sind sterblich. Unsere Krippe ist es nicht. Das sollten wir nicht vergessen.«
    »Daran musst du mich erinnern? Glaubst du das wirklich?«, sagte Veit. »Ich hab schon Krippen geschnitzt, da warst du noch nicht einmal geboren.«
    »Du bist der Meister, ich weiß«, sagte Simon bitter. »Bist es immer schon gewesen. Und ob ich es eines Tages auch werde,

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