Die Hüterin der Quelle
gestoßen. Manche der Ratsherren wandten sich ab, als er sie um Unterstützung bat, andere, auf die er fest gezählt hatte, hatten eine Reihe von Gegenargumenten angeführt. Und zu seinem Erschrecken gab es eine stattliche Fraktion, die eine Drutenjagd aus vollem Herzen zu befürworten schien.
Es lag auf der Hand, wer sie beeinflusste. Weihbischof Friedrich Förner tat alles, um die Stimmung in Bamberg weiter anzuheizen. Inzwischen strömten die Leute von weit her zu seinen Hexenpredigten. Der Druck in der Stadt wuchs. Eine gefährliche Mixtur aus Aberglauben, Vorurteilen und Angst, die jeden Augenblick in die Luft gehen konnte. Wenn schon Frauen wie Hanna Hümlin in Verdacht gerieten, nur weil sie sich ihrer Haut erwehrte, was mochte dann noch alles geschehen?
Als hätte er seine Gedanken erraten, stand plötzlich Georg Schneider vor ihm. Die Verletzung an seiner Schulter musste inzwischen verheilt sein, aber er hatte sich angewöhnt, sie ein wenig höher zu halten. Auch sein Gang hatte sich verändert. Aus einiger Entfernung hätte man ihn für einen alten Mann halten können.
»Das Bier ist zu deiner Zufriedenheit, Braumeister?«, sagte er.
»Was heißt schon zufrieden? Das Beste ist der Feind des Guten. Du kennst doch meine Devise!«
Die Fackel warf seltsame Schatten auf Schneiders Gesicht.
»Schau nicht so finster drein! Es gibt Anlass zur Freude. Ab morgen liefert der Storchenbräu das Bier für die Tafel des Fürstbischofs. Wir sind Hoflieferant geworden, Georg – endlich! Jeder von euch soll drei Taler bekommen. Denn ihr habt alle euren Beitrag dazu geleistet.«
»Und was ist mit dem Mädchen?«, fragte Schneider unbeeindruckt.
»Welches Mädchen?«
»Die Taube. Die Tochter des Krippenschnitzers. Sie steht draußen und behauptet, du würdest sie erwarten.«
»Selina? Natürlich!« In der ganzen Aufregung hatte er Veits Kleine vollkommen vergessen. Aber wenn er schon die Freude nicht mit seiner Tochter teilen konnte, dann wenigstens mit ihr! »Herein mit ihr. Sie hätte sich keinen besseren Tag aussuchen können.«
Die Jungen hatten ihre Hemden ausgezogen und wateten mit hochgekrempelten Hosen ins Wasser. Ava hatte sie zu einer Furt geführt, wo der Fluss seicht genug war, um mit dem Üben zu beginnen.
»Es reicht mir schon bis über die Schenkel«, rief Toni. »Gleich werd ich untergehen!« Er verdrehte die Augen und tat, als ob er strauchelte. »Hilfe! Hilft mir denn niemand? Ich ertrinke!«
Ava, direkt hinter ihm, versetzte ihm einen Stoß.
»Damit spaßt man nicht«, sagte sie. »Niemals. Das ist schon mal das Erste, was du lernen solltest.« Sie wandte sich um und sah Kuni noch immer unschlüssig am Ufer stehen. »Komm schon! Worauf wartest du noch?«
Das Mädchen zupfte an seinem löchrigen Hemd. Das Kleid lag neben ihr im Gras. Erst jetzt sah man, wie dünn ihre Beine und Arme waren.
»Ich weiß nicht.« Es klang ungewohnt schüchtern. »Ich glaube, eigentlich will ich gar nicht schwimmen lernen.«
»Aber du musst!«, rief Lenz, der sich im Flachen schon geschickt bewegen konnte. »Du weißt ja gar nicht, was du versäumst. Glaub mir, der Fluss trägt dich, genauso wie Ava es gesagt hat.«
Eine große Welle ließ ihn verstummen. Aber es machte ihm offenbar nichts aus, Wasser zu schlucken.
»Seht nur, dort vorne schwimmt Reka«, rief Toni. »Er soll sich bloß vorsehen! Spätestens morgen bin ich so weit, um mitzuhalten.«
Der Otter hielt inne, als hätte er seinen Namen verstanden. Reka legte sich auf den Rücken, in den Pfoten einen Fisch, den er rasch verschlang. Plötzlich drehte er sich, tauchte in einer eleganten Rolle blitzschnell unter und war verschwunden.
»Ich will auch schwimmen«, sagte Lenchen. Sie hatte ihr Häubchen abgenommen und wollte ins Wasser waten.
»Du bleibst draußen!« Avas Stimme klang scharf. »Was hatten wir beide vereinbart?«
»Dass ich warten muss, bis ich zwei Wochen ohne Fieber war«, kam es kläglich zurück. »Wie lange dauern denn zwei Wochen, Ava?«
»Ach, die sind so flugs vorbei, dass du dich noch wundern wirst. Warum gehst du inzwischen nicht ein paar Blumen pflücken?«
Lenchen rannte davon.
Ava hatte Kaspar gepackt und blitzschnell auf den Bauch gedreht. Der Junge klammerte sich an ihr Hemd.
»Lass mich bloß nicht los …«
»Ich lass dich doch nicht los, was denkst du denn? Sieh mal, das machen die Arme.« Sie zeigte ihm die Bewegung. »Und genau das die Beine.« Sie öffnete und schloss seine Schenkel. »Und jetzt beides
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