Die Hüterin der Quelle
hängt von dir ab – wie so vieles andere auch.« Mit steifen Schritten verließ er die Werkstatt.
Erst jetzt schien Veit zu registrieren, dass Marie noch immer hinter ihm stand.
»Hör zu, Liebchen.« Seine Stimme klang belegt. »Kann sein, dass der Frankfurter die Fischhändlerin gemeint hat, bei der ich früher ab und zu Geräuchertes gekauft habe. Aber diese Zeiten sind vorbei, wie du ja weißt. Und jetzt lass mich arbeiten – bitte! Du siehst ja, wie stark wir unter Druck stehen!«
Für den Moment musste Marie sich mit dieser Antwort zufrieden geben. Aber sie fürchtete sich schon jetzt vor Francescas spöttischem Gesicht in der Stille ihrer Kammer.
Seine Hand zitterte, als er das Siegel erbrach. Der springende Fuchs vor dem Bischofsstab, tief in dunkelrotes Wachs eingedrückt. Er wusste sofort, von wem der Brief stammte.
Langsam rollte Pankraz Haller das Blatt auf. Feinstes Pergament, bedeckt mit gestochen scharfen Buchstaben. Allein die Initiale war ein Kunstwerk. Ein grünes H, umrankt von Blumengirlanden, in denen sich Rehe und kleine Hasen tummelten.
»Hiermit ernennen wir den Küfer- und Braumeister Pankraz Matthias Kassian Haller, Eigentümer der Storchenbrauerei zu Bamberg, zum Hoflieferanten Seiner Exzellenz des Fürstbischofs Georg II. Fuchs von Dornheim …«
Unten war noch einmal das Wappen angebracht, gekrönt von einer Unterschrift, so prächtig und ausschweifend wie der Fürstbischof selber. Erst jetzt wurde ihm das ganze Ausmaß dieses Schreibens bewusst.
Seine Augen wurden feucht. Er musste sich setzen, so überwältigend war seine Freude. In alten Zeiten wäre er damit sofort zu Marie gelaufen, aber seine Tochter hatte schon seit Tagen nichts anderes im Sinn als Stoffe. Außerdem war er einfach zu stolz, um sich an die zweite Stelle schieben zu lassen.
Im Haus hielt Pankraz es nicht länger aus. Hanna Hümlin war heute früher gegangen, sonst hätte er seine Freude vielleicht mit ihr geteilt. Am liebsten hätte er sie gefragt, wohin es sie so eilig zog, aber natürlich hatte ihm der Mut dazu gefehlt. Hinter ihrer Freundlichkeit lauerten Stolz und ein starker Wille. Ein falsches Wort genügte – und sie verschloss sich, wie sie es in der ersten Zeit stets getan hatte. Hanna führte ein eigenes Leben, das ihn nichts anging und das mit ihm zu teilen sie nicht vorhatte. Jeder Blick, jede Geste bewies es ihm. Sie musste nicht einmal den Mund aufmachen. Er verstand die Botschaft auch ohne Worte.
Wie sehr er jemanden brauchte, mit dem er die alltäglichen Dinge bereden konnte, erst recht aber, was heute geschehen war! Pankraz spürte die Leere beinahe körperlich. Auch die Gaststube, sonst oft eine willkommene Abwechslung, erschien ihm jetzt nicht als geeigneter Ort. Ohne anzuhalten, lief er den Stephansberg hinauf und sperrte den Felsenkeller auf.
Er hatte schon vor längerem begonnen, einen Sud auf mehrere Gärbottiche aufzuteilen, und damit verschiedene Chargen miteinander verschnitten, um die Bierqualität zu stabilisieren. Die Proben, die er entnahm, bestätigten ihn in der Richtigkeit seiner Entscheidung. Die mehrfache Umfüllung gab dem Bier einen erfrischend herben Geschmack, ohne jede Bitterkeit. Der charakteristische Rauchgeschmack trat jetzt sogar noch deutlicher hervor. Pankraz beschloss, dieses Verfahren auch in den Lagerfässern anzuwenden; vielleicht ließ sich dadurch eine weitere Steigerung erzielen. Der Fürstbischof sollte stolz sein auf seinen neuen Hoflieferanten!
So bald wie möglich würde er in Schloss Geyerswörth vorsprechen, um das weitere Vorgehen zu klären. Möglicherweise ergab sich dann sogar Gelegenheit, das leidige Thema anzuschneiden, das ihm auf der Seele lag. In der gelösten Stimmung, in der er sich jetzt befand, schien ihm nichts unmöglich.
Außerdem verstrich kaum ein Tag, an dem der Kanzler des Hochstifts ihn nicht daran erinnerte. Durch Haag hatte er erfahren, dass für das nah gelegene Zeil zwei Juristen als neue Hexenkommissäre verpflichtet worden waren. Dass er einen davon persönlich kannte, machte die Sache nicht besser. Dr. Ernst Vasoldt galt als grausamer Mann und war zudem bekannt wegen seines fatalen Hangs zu Hochprozentigem.
Wie lange würde es in Bamberg noch ruhig bleiben?
Es hätte keiner Mahnung bedurft, denn er fühlte sich Kilian Haag ohnehin verpflichtet. Ihn bedrückte, dass er nicht halten konnte, was er damals so voreilig in Aussicht gestellt hatte. Bei seiner Suche nach Verbündeten war Pankraz schnell an Grenzen
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