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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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wie immer! Aber ich sehe die Dinge mit milderem Blick.« Fuchs von Dornheim umrundete bereits zum zweiten Mal den Tisch. »Lasst uns etwas ins Detail gehen! Was mir gefällt, ist die sternförmige Anordnung. Man ahnt sofort, wohin sie führt – direkt ins Zentrum des Geschehens. Allerdings«, er hatte einen der Hirten aufgenommen, betrachtet und wieder abgestellt, »gibt es durchaus einiges, was mich irritiert. Habt Ihr nicht bei unserem letzten Treffen von den unvergesslichen Bildern des Südens gesprochen, die in Euch wohnen? Hier kann ich nirgendwo etwas davon entdecken! Ich vermisse die klare Aussage, das einfache Leben. Diese Figuren sind …«
    »… nichts als eine Anhäufung von Eitelkeit! Das soll christliche Schnitzkunst sein?« Förners Lippen verzogen sich verächtlich. »Wenn ja, dann muss der Teufel persönlich Euch den Beitel geführt haben!«
    »Der Teufel war niemals in unserer Werkstatt«, sagte Simon ruhig. »Darauf könnt Ihr meinen Eid haben. Stattdessen haben wir während unserer Arbeit immer wieder Gott um Hilfe und Unterstützung angerufen. Was Ihr hier seht, Exzellenz, sind lediglich bozzetti . So nennt man Modelle, die in wenigen Schnitten andeuten, wie die fertigen Figuren später einmal aussehen werden.«
    »Eine Art Skizze also?«
    »Ganz genau, Exzellenz«, sagte Veit. »Damit es leichter für Euch wird, sich das Endergebnis vorzustellen, haben wir an einigen Exemplaren schon mal mit Stoffen gearbeitet …«
    » … wohlwissend, dass auch das nur eine Übergangslösung sein kann«, fiel Simon unterstützend ein. »Das Beste konnten wir aus Zeitgründen noch nicht beschaffen. Aber wir werden es tun, seid da ganz gewiss!«
    »Das setze ich voraus. Denn meine Krippe soll und muss die schönste und prächtigste weit und breit sein.« Fuchs von Dornheim hatte angefangen, mit seinem Pektorale zu spielen. »Das habe ich mir als Ziel gesetzt. Und meinen Zielen bleibe ich treu. Kümmert Euch also um das Notwendige.«
    »Natürlich.« Veit deutete eine Verneigung an. »Wird umgehend erledigt. Wenn Ihr jetzt vielleicht einen Blick auf die Zeichnungen werfen wollt?« Er öffnete die Mappe.
    »Sie stammen alle von Euch?« Der Fürstbischof sah Simon an, nachdem er sie durchgeblättert hatte.
    »Ja, Exzellenz. Wie Ihr es gewünscht habt. Und an diesem König hier«, er hielt ihm die Figur des Melchior entgegen, »könnt Ihr Euch davon überzeugen, wie die Ausarbeitung ausfallen wird.«
    Fuchs von Dornheim nickte bedächtig.
    »Genauso habe ich es mir vorgestellt, wenngleich ich das Flair des Südens noch immer etwas vermisse …«
    Die Tür flog auf.
    »Sie kommen, Exzellenz!«, schrie der Kapuzinerpater mit hochrotem Kopf. »Sie haben Fackeln in der Hand. Und das Gebrüll – hört Ihr es? Es müssen Hunderte sein!«
    »Wovon redest du?«
    »Menschen. Männer, Frauen, die halbe Stadt. Sie verlangen, dass Ihr den Druten auf der Stelle den Garaus macht. Sie wollen sie brennen sehen. Alle! Weil sie die Ernte verdorben haben. Nicht nur der Weizen und der Roggen, auch der ganze Hopfen ...«
    »Wozu haben wir erst jüngst den Zaun erhöht? Wir sind doch hier in Sicherheit, oder etwa nicht?«
    »Macht Euch da keine Illusionen! Dem Feuer hält das junge Holz nicht lange stand. Diese Menschen scheinen zu allem entschlossen. Niederbrennen werden sie ihn und anschließend das Schloss stürmen!«
    Förner hielt die Augen geschlossen. Seine Hände waren gefaltet. Um seinen Mund lag ein siegesgewisses Lächeln.
    »Endlich!«, flüsterte er. »Wie lange habe ich darum gebetet. Ich danke dir, mein guter Herr, dass du mein Flehen erhört hast!«
    Immer lauter wurde das wüste Rufen und Schreien. Vereinzelt waren geistliche Lieder zu hören, die allerdings mehr gegrölt als gesungen wurden.
    »Was sollen wir tun?« Der Fürstbischof wandte sich erregt an Keller. »Die Kanonen zünden und auf sie schießen? Oder uns zurückziehen? Aber wohin? Auf den Domberg kommen wir nicht mehr. Und das Rathaus … ebenfalls zu spät! So redet doch, Keller! Was sagen die Sterne?«
    »Wie ich Euch schon zuvor sagte, Exzellenz! Jupiter steht im vierten Haus, während Saturn und Mars als Paar das zehnte Haus beherrschen …«
    »Genauer, Keller! Der Pöbel wird kaum in der Laune sein zu astrologischen Spitzfindigkeiten!«
    »Das Volk gewinnt, während der Regent in dieser Sache schlechte Karten hat.« Keller verneigte sich. »Bedaure, Exzellenz, aber Ihr wolltet eine unmissverständliche Antwort. Anders formuliert: Nur wenn

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