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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Ihr jetzt die Demut zum Nachgeben habt, könnt Ihr aus dieser Angelegenheit als Sieger hervorgehen!«
    »Ich soll also tun, was sie verlangen?«, fragte Fuchs von Dornheim. »Das rätst du mir?«
    »Ich fürchte, das ist das Gebot der Stunde.« Keller war nicht anzusehen, was er persönlich davon hielt.
    »Und unsere Krippe, Exzellenz?«, wagte Veit einen Einwand. »Sollen wir sie …«
    »Schweigt! Was fällt Euch ein, mich jetzt damit zu behelligen! Seht Ihr nicht, dass eine Revolte droht? Und mein Leben in Gefahr ist? Nehmt Eure Holzfiguren und verschwindet, aber schnell!«
    Mit fliegenden Händen machten Simon und Veit sich ans Einpacken. Sie waren schon im Garten, als Simon einfiel, dass sie die Zeichnungen vergessen hatten. Er rannte noch einmal zurück, um sie zu retten.
    Fuchs von Dornheim hatte sich inzwischen an Förner gewandt.
    »Bist du nun zufrieden, Friedrich? Das, was sich da draußen abspielt, ist doch dein Werk. Aber du sollst wissen, dass du mir persönlich dafür bürgst. Für alles, was ab jetzt geschieht, werde ich dich zur Verantwortung ziehen.«
    »Es ist Gottes allmächtiger Wille allein …«
    »Schweig!«, unterbrach er ihn, »und gib Acht, dass du dich nicht gegen Seinen heiligen Namen versündigst. Kein anderer als du hat das Feuer entfacht. Nun sieh zu, wie du es wieder löschen kannst!«

    Nun, da womöglich alles verloren war, zog es Veit zu ihr. Blindlings stolperte er am Ufer entlang, unfähig, darauf zu achten, wohin er seine Füße setzte.
    Was Simon wohl davon halten würde?
    Er hatte ihn mit dem Karren nach Hause geschickt, ohne sich eine fadenscheinige Ausrede für Marie auszudenken. Natürlich würde sie misstrauisch werden und wieder Fragen stellen. Aber daran wollte er erst morgen denken.
    Irgendwann blieb er stehen.
    Neben ihm erhob sich ein schlanker, unbelaubter Hollerbaum, der viele dunkle Dolden trug. Das Licht der Mondsichel verlieh ihm etwas Unwirkliches. Menschen, die sterben, nisten sich in den Wänden der Häuser oder in den Wipfeln der Bäume ein. Francesca hatte oft davon gesprochen. Er wusste nicht, warum ihm ausgerechnet jetzt ihre Worte wieder einfielen. Vielleicht, weil Marie immer behauptete, sie spuke in der Kammer. Energisch schob er die Gedanken beiseite und ging weiter.
    Nicht weit entfernt lag das Haus. Als er die sorgfältig aufgehängten Netze sah und den großen Räucherofen, wusste Veit, dass er am richtigen Platz angelangt war. Die Haustüre war offen. Er trat ein, ohne anzuklopfen.
    Ob sie ihn immer noch erwartete?
    Alter Narr, schalt er sich selber. Wahrscheinlich weiß sie nicht einmal mehr, wer du überhaupt bist.
    Dennoch war die Enttäuschung groß. Nirgendwo eine Spur von Ava. Nur ein flüchtiger Duft, den er mit ihr verband.
    Er verließ das Haus und hielt sich nach kurzem Zögern flussabwärts. Langsam setzte er Fuß vor Fuß, bis er plötzlich auf etwas Helles stieß. Ein Kleid! Vielleicht war sie doch in der Nähe.
    Er ließ sich am Ufer nieder, zog die Schuhe aus und streckte die Füße in den Fluss. Die Kühle des fließenden Wassers war angenehm, vertrieb die Hitze des Tages, die schlechten Gefühle, die Angst.
    Ein Keckern. Dann Wellenschlagen.
    Den Otter entdeckte er zuerst. Reka schwamm auf dem Rücken, entblößte seinen silbrigen Bauch. Als er Veit bemerkte, stutzte er, dann vollzog er eine elegante Rolle und schwamm direkt auf ihn zu.
    Er schnupperte an seiner Hand wie ein neugieriger Welpe. Die sanfte Berührung kitzelte Veit.
    Ava ließ sich ans Ufer treiben.
    »Schleien sind aus«, war das Erste, was sie sagte. »Du hast zu lang gewartet.«
    »Ich weiß. Und inzwischen weiß ich auch, wie falsch es war.«
    »Weshalb hast du es dann getan?«
    Sie streckte ihm ihre Hände entgegen, er zog sie ans Ufer. Sie setzte sich neben ihn, ohne Anstalten zu machen, ihre Blöße zu bedecken.
    »Ich war feige. Und krank – die Gicht. Alles steif. Ich konnte meine Hände nicht mehr bewegen. Alles hat mir wehgetan. Ich hab den Tod gespürt.«
    »Und jetzt spürst du ihn nicht mehr?«
    »Doch«, sagte Veit. »Und ich fürchte mich noch immer vor ihm. Aber viel schlimmer, als zu sterben, wäre doch, nicht gelebt zu haben, meinst du nicht?«
    »Bist du deshalb hier? Mein Haus und der Fluss sind kein Platz für Feiglinge.«
    Er nickte.
    »Man muss dich nur ansehen, dann weiß man Bescheid.«
    »Gib mir mein Kleid!«
    Er reichte es ihr, und ihre Hände berührten sich dabei flüchtig. Seine Finger waren grober geworden, steifer. Ava konnte die

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