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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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seine Stimme hörte, seinen festen Schritt, der sein Kommen ankündigte.
    Sie war nicht immer froh darüber, manchmal fühlte sie sich wie gefangen. Ava war es nicht gewohnt, dass ein Mensch ihr Denken und Fühlen derart beherrschte, und es gab Tage, da nahm sie Veit diese unsichtbare Okkupation regelrecht übel. Ihn schlafen zu sehen liebte sie dagegen. Sie setzte sich im Schein der Öllichter im Bett auf, um ihn ausführlich zu betrachten.
    Diese unterschiedlichen Farben seines Körpers!
    Eine Landschaft, die Ava inzwischen auswendig kannte. Das Ocker der Hände und Unterarme, bedeckt mit zartem dunkelblondem Flaum, jäh kontrastierend gegen das milchige Weiß der Lenden, das dagegen umso nackter wirkte. Die schwarze, gekräuselte Linie, die vom Nabel nach unten lief und sich zum lockigen Dreieck verbreiterte. Heller davor sein Geschlecht, das ihr wie kaum etwas anderes die menschliche Sterblichkeit und Verletzlichkeit bewusst machte. Wenn Veit neben ihr schlief, konnte Ava ihn nie länger ansehen, ohne dass sich ihre Augen mit Tränen füllten.
    Dennoch fühlte sie sich stark und sicher wie selten zuvor. Etwas Strahlendes ging von ihr aus, das sie umhüllte wie eine zweite Haut. Sie verströmte Kraft und Weiblichkeit, eine Wärme, die jeden in ihren Bann zog.
    Bastian Mendel war kaum noch aus dem Haus zu bekommen, nachdem er seinen Fang bei ihr abgeliefert hatte.
    »Heuer möchte ich dich zum Fischertanz führen, Ava«, brachte er schließlich hervor. Seine Hände nestelten am Hemd, so aufgeregt war er. Ihr fiel auf, dass Haar und Bart frisch geschnitten waren. Sogar eine Jacke mit bunten Bändern hatte er sich zugelegt, wie sie sonst nur eitle Stutzer trugen. »Bis Kirchweih dauert es zwar noch ein Weilchen, aber ich hätte deine Zusage am liebsten heute schon.«
    »Wir beide, Bastian?« Sie lächelte, denn sie mochte ihn zu gern, um ihn zu verletzen. »Unter all deinen Zunftgenossen? Die zerreißen sich doch sowieso schon das Maul darüber, woher meine Fänge stammen! Nein, weißt du, ich glaube, das wäre keine besonders gute Idee.«
    »Und weshalb nicht?« Er klang wie ein trotziger Junge.
    »Du kennst die Antwort. Lass uns Freunde bleiben, wie wir es immer waren. Das ist besser für uns!«
    Mathis hielt sich fern, und Ava war erleichtert, dass es so war. Ab und an träumte sie von ihm, wilde, raue Nachtgesichte, in denen er außer sich geriet, weil er sich hintergangen fühlte. Beim Erwachen musste sie daran denken, was geschehen würde, träfen er und Veit in ihrem Haus wirklich aufeinander. Wortgefechte? Eine Rauferei? Oder würde solch ein Zwischenfall den Wilderer für immer aus ihrem Leben vertreiben?
    Es wird nicht geschehen, machte sie sich dann Mut. Und wenn doch, werde ich schon das Richtige sagen und tun.
    Selbst Fremde schienen die Veränderung zu bemerken. Männer blieben stehen, wenn sie ihr begegneten, schauten ihr nach oder riefen ihr Scherze hinterher. Kinder liefen zu ihr, erzählten etwas, wollten gestreichelt oder auf den Arm genommen werden. Nicht einmal das seltsame Mädchen mit den zornigen Augen und den dunklen Locken irritierte sie wirklich, das sich immer wieder mal am Fluss zeigte und zu ihr herüber starrte.
    Was sie wohl von ihr wollte?
    Vielleicht war sie in Not, suchte ihre Hilfe und hatte noch nicht den Mut, sie darum zu bitten. Ava wusste, eines Tages würde sie vermutlich doch kommen. So, wie die vielen, vielen anderen vor ihr gekommen waren.
    Aber es gab auch weniger erfreuliche Reaktionen. An einem regnerischen Markttag erschien Agnes Pacher. Die Frau, die ihr mit Konsequenzen gedroht hatte.
    Ava bekam zu spüren, was sie damit gemeint haben könnte, als die Pacherin sich in all ihrer raschelnden Pracht vor dem Stand aufbaute, ein paar geräucherte Hechte aufhob, daran roch und sie mit angeekelter Miene wieder zurücklegte.
    »Wer weiß schon, was da dran ist?« Ihre Stimme war durchdringend genug, um Neugierige aufhorchen zu lassen. »Mandragora? Bilsenkraut? Vielleicht sogar eine Prise Menschenasche? Wer im Schutz der Nacht Hexenkräuter braut, den sollten am helllichten Tag die Büttel vom Markt jagen!«
    »Was macht eigentlich dein Kleiner? Alles in Ordnung mit ihm?«, fragte Ava. »Zahnt er schon?«
    Agnes’ hübsches Gesicht wurde fahl. »Das würdest du nicht wagen!«, zischte sie. »Untersteh dich!«
    Ava schien auf einmal sehr damit beschäftigt, ihre Forellen neu zu sortieren. Ihr Blick blieb dabei hartnäckig auf die Körbe gerichtet. Die Pacherin fühlte sich

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