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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Trocknen legte sie die dunklen Kügelchen auf den Brettern in ihrer Vorratskammer aus. Den ganzen Winter über würde sie von ihnen etwas haben, als Tee, Saft oder Wein. Auf dem Herd brodelte bereits ein großer Topf mit Hollersuppe, deren säuerlicher Duft den ganzen Raum erfüllte. Für gewöhnlich konnte sie nicht genug davon bekommen, musste schon davon naschen, bevor sie fertig war. Heute jedoch zog Avas Magen sich zusammen, und sie spürte, wie ihr Speichelfluss sich auf ungute Weise verstärkte. Vielleicht würde es besser werden, wenn sie später Honig und eine Prise Zimt dazugab. Am Stand von Lebzelter Floggel hatte sie sich erst neulich einen kleinen Beutel davon geleistet.
    Der Markt – wenn sie nur daran dachte, wurde ihr mulmig. Bislang hatte niemand etwas dagegen gehabt, dass sie ihre geräucherten Fische dort verkaufte. Vergangenen Donnerstag jedoch hatten die Büttel sie von einer neuen Verordnung in Kenntnis gesetzt. Demnach musste sie ihre Waren künftig auf dem Fischmarkt nahe dem Kranen anbieten. Inmitten all der Konkurrenz würde ein Umsatzrückgang nicht ausbleiben. Noch ärgerlicher aber war die unmittelbare Nähe der Fischer-und Schifferzunft, die jeden argwöhnisch beäugte, der nicht dazugehörte. Kirchweih war die einzige Ausnahme, die sie gerade noch duldeten. Im vergangenen Jahr hatte Ava mit ihren Räucherhäppchen gut dabei verdient.
    Sie wollte sich diese Einschränkungen nicht gefallen lassen. Aber was sie dagegen unternehmen sollte, wusste sie noch nicht. Ob es sinnvoll wäre, einen der Ratsherren deswegen anzusprechen? Beim näheren Überlegen fiel ihr nur Pankraz Haller vom Storchenbräu ein. Aber der war ausgerechnet Veits Schwiegervater, wie sie inzwischen erfahren hatte, und belieferte seit einiger Zeit sogar den Hof des Fürstbischofs.
    Beim Umrühren verlagerte Ava das Gewicht von einem Bein auf das andere. Ihr war heiß, und das Übelsein der letzten Tage wollte sich nicht legen. Alles wurde ihr schnell zu viel; zu nichts hatte sie richtig Lust. Die Kinder hatten ihre rasch wechselnden Launen bereits zu spüren bekommen; nicht einmal Veit war davon verschont geblieben. Ihr Geliebter hatte empfindlich reagiert und ein beleidigtes Gesicht gemacht, als sie ihn nach kurzem Wortwechsel einfach fortgeschickt hatte. Daran freilich musste er sich gewöhnen, denn bislang hatte Ava es immer so gehalten, wenn ihr danach gewesen war.
    Wurde ihr seine Nähe schon zu viel?
    Sie lauschte in sich hinein, fand aber keine schlüssige Antwort darauf. Manchmal schalt sie sich selber als zu eigenbrötlerisch und damit auf Dauer zum Alleinsein verdammt. Seit dem Brand der Glashütte und der anschließenden Flucht über den Gläsernen Steg war es schwierig für sie geworden, Menschen zu dicht an sich heranzulassen, vor allem, wenn es sich um Männer handelte. Oft genügte ein falsches Wort, ein Blick, der ihr nicht gefiel, und Ava zog sich völlig zurück.
    Aber vielleicht gab es ja auch einfachere, näher liegende Gründe, warum ihr nicht wohl in ihrer Haut war. Womöglich lag es daran, dass sie viel zu warm angezogen war. Der Oktober hatte kühl und regnerisch begonnen, heute jedoch stach die Sonne von einem blanken Himmel. Kein Wunder, dass sie schwitzte!
    Ava überließ die Suppe kurz sich selber. Als sie in ihrem Sommerkleid zurückkam, stand Mathis am Herd.
    »Was machst du denn da?«, fragte sie erschrocken.
    »Deine Hollersuppe – vorzüglich wie immer.« Er ließ den Löffel sinken. »Außerdem will ich mit dir schlafen.« Er zog sie an sich und bedeckte ihr Ohr mit Küssen. »Und behaupte jetzt bloß nicht, du hättest keine Sehnsucht nach mir gehabt!«
    Ava schob ihn weg. Sie begann heftig zu niesen.
    »Ist das vielleicht eine Begrüßung für einen alten Freund?« Ein schiefes Lächeln. »Beim letzten Mal warst du sehr viel zugänglicher, wenn du dich vielleicht erinnerst.«
    »Du warst lange weg.« Sie nahm den Topf vom Feuer und trug die Äpfel, die sie schon bereitgelegt hatte, zum Tisch. Sie setzte sich und begann sie zu schälen.
    »Nicht ganz freiwillig.« Mathis zuckte die Achseln. »Und an keinem besonders einladenden Ort, um bei der Wahrheit zu bleiben.«
    Er klang so ernst, dass sie aufsah.
    »Ja«, sagte er. »Es war so, wie du es mir schon seit langem prophezeit hast! Eingebuchtet haben sie mich. Wäre mein Wärter nicht so ein mieser Zocker gewesen, wäre ich noch immer im Loch. Außerdem hat er schwer gesoffen. Was die Sache stark vereinfacht hat.«
    »Du warst im

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