Die Hüterin der Wölfe (Die Steinzeit-Trilogie) (German Edition)
nicht. In Erinnerungen gefangen fielen beide in einen bildreichen Schlaf.
Direkt nach Sonnenaufgang zogen sie wieder zu dritt los. Asha wollte Pinaa zeigen, wo man noch Nüsse, Wurzeln und anderes Essbares sammeln konnte. Es war kalt, aber die Sonne lachte hell vom blauen Himmel und beide fühlten sich an diesem neuen Tag auch erleichtert, ihre Schicksale geteilt zu haben und glücklich, ihr Leben jetzt miteinander verbringen zu können. Die Wölfin grub hier und da nach Beute und tollte ausgelassen im Schnee umher, auch sie schien die Verbundenheit und Leichtigkeit zu spüren.
Als sie einiges gesammelt hatten, wollte Asha wieder zurück. Sie deutete an, dass es bald wieder schneien würde. Pinaa wollte noch bleiben. Es war noch so früh und noch so viel zu holen, sie hatte gerade mal ein Viertel ihrer Tasche gefüllt und die Wölfin fühlte sich hier draußen offenbar sehr wohl. Sie sagte und zeigte Asha, dass sie bald nachkommen würde und diese stapfte davon. Sie liefen noch eine Weile herum, Pinaa sammelte noch ein paar Wurzeln und spielte mit der Wölfin. Schließlich wurde es Zeit und sie traten den Rückweg zu Ashas Hütte an. Der Himmel zog sich zu, es sah tatsächlich nach weiterem Schnee aus.
Kurz bevor sie die Hütte erreichten, stieß die Wölfin einen Warnlaut aus und Pinaa blieb sofort stehen. Sie hörte ein lautes Rascheln und duckte sich. Die Wölfin hatte sich flach auf den Boden gepresst und Pinaa tat es ihr gleich. Unter den Bäumen sah sie kurz durch das Dickicht auf die Hütte zulaufende Fellschuhe. Dann ging es los. Sie hörte Schreie, fast wie Jagdgeschrei, Kampfgeräusche und Ashas Stimme. Sie kroch so schnell es auf dem Bauch ging unter den Bäumen hindurch Richtung Hütte, bis sie sie sah. Sie waren zu viert. Vier ausgewachsene Männer in Fellkleidung, mit Äxten, Messern und Bögen bewaffnet. Sie hatten Asha vor der Hütte überwältigt. Sie hatte sich gewehrt, einer der Männer hatte Blut auf seinen Sachen. Pinaa war geschockt. Wer waren diese Menschen? Sie konnte ihre Gesichter nicht sehen. Waren es dieselben, die Ashas Familie getötet hatten? Warum hatten sie sie damals nicht getötet? Und warum holten sie sie jetzt? Sie spürte Anspannung bei der Wölfin und zeigte ihr schnell an, nicht einzugreifen. Selbst mit einem Wolf hatte sie keine Chance gegen die Männer. Sie hatten Asha verschnürt und zogen die noch immer laut protestierende Frau nun hinter sich her in den Wald. Pinaa überlegte, was sie tun sollte. Asha hatte sie aufgenommen, sie musste ihr helfen. Aber dann mussten sie den Männern direkt folgen. Denn wenn der Schnee wieder einsetzte, würden sie keine Spuren mehr finden. Die Wölfin konnte sicher Ashas Geruch über viele Schritte weit aufnehmen, aber Pinaa war nicht unbedingt schnell genug, nah an ihnen zu bleiben. Sie hatte immerhin Pfeil und Bogen, ein Messer und die gesammelten Vorräte dabei. Doch sie wusste nicht, wo die Männer hinwollten und wie weit es war. Das Lager ihrer Sippe lag sicher weit entfernt, möglichweise wollten sie über die Berge. Trotzdem entschloss sich Pinaa, den Männern sofort zu folgen. Aufgeben konnte sie immer noch. Sie hoffte nur, dass sie nicht entdeckt werden würde. Sie gab der Wölfin die passenden Zeichen und sie machten sich an die Verfolgung an der Stelle, an der die Männer im Wald verschwunden waren.
Das fremde Menschenrudel hatte das einsame Menschenweibchen verschleppt und sie verfolgten sie. So weit war die Situation klar für die Wölfin. Sie hatte die Witterung der Einsamen fest in der Nase. Die Gerüche des fremden Rudels hingegen waren ihr völlig unbekannt. Sie gehörten nicht in diese Gegend, das war nicht ihr Territorium, da war sie sicher. Sie hatte Entschlossenheit bei ihnen gefühlt, als sie in das Revier des Weibchens gekommen waren, aber auch eine Art Ehrfurcht oder Respekt. Die Einsame selbst ließ keine Furcht spüren, sie war voll entschlossener Stärke. Und Wut. Sie folgten ihnen durch den Wald. Die Wölfin hatte die Führung übernommen. Die Männer waren weder zu übersehen, noch zu überhören, aber sie mussten aufpassen, dass man sie nicht auch entdeckte. Die Sonne stieg immer weiter ab, die weißen Flocken begannen wieder zu fallen, und sie liefen weiter und weiter durch den Wald. Die Männer liefen schnell. Obwohl sie das einsame Weibchen hinter sich herzogen, brauchten sie keine Pause. Die Wölfin hatte damit kein Problem, sie war nur nicht sicher, ob das kleine Menschenweibchen durchhalten würde.
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