Die Huette
offenbar aus derselben Packung. Aber es ist uns noch nicht gelungen, ihre Herkunft herauszufinden. Bisher haben wir von keinem der vier Mädchen die Leiche gefunden, und obwohl die Spurensuche bislang völlig ergebnislos war, gehen wir davon aus, dass sie alle tot sind. Jede Entführung fand auf einem Campingplatz oder in der Nähe davon statt, und immer am Rande eines Naturparks oder großen Wildnisreservats. Der Täter scheint sich in der Wildnis extrem gut auszukennen. Bei keinem der Fälle hat er irgendwelche Spuren hinterlassen - bis auf die Anstecknadel.«
»Was ist mit dem Wagen? Wir haben eine ziemlich gute Beschreibung des grünen Pick-up.«
»Oh, den Wagen finden Sie bestimmt bald irgendwo. Wenn das unser Mann ist, hat er den Wagen vor ein bis zwei Tagen gestohlen, ihn umlackiert und mit Überlebensausrüstung für die Wildnis beladen. Wenn Sie ihn finden, sind alle Fingerabdrücke und Spuren sorgfältig abgewischt.«
Während er das Gespräch zwischen Dalton und Special Agent Wikowsky mitverfolgte, schwand Macks letzte Hoffnung. Er hockte sich auf den Boden und barg das Gesicht in den Händen. Gab es jemals einen Menschen, der erschöpfter gewesen war als Mack in diesem Moment? Zum ersten Mal seit Missys Verschwinden fing er an, wirklich über alle entsetzlichen Möglichkeiten nachzudenken, und als er damit angefangen hatte, konnte er nicht mehr aufhören. Alle diese Vorstellungsbilder vermischten sich vor seinem inneren Auge zu einer fürchterlichen lautlosen Parade. Sosehr er es versuchte, es gelang ihm nicht, die Bilder abzuschütteln. Darunter waren grausige Schnappschüsse von Folter und Schmerz, von Monstern und Dämonen der tiefsten Dunkelheit mit Stacheldrahtfingern und tödlichen Messerklingen. Er hörte Missy nach ihm schreien, doch niemand antwortete.
Und mit diesem Schrecken vermischten sich flüchtige Erinnerungsbilder: das Kleinkind mit seinem Missy-sippy-Becher, wie sie ihn genannt hatten; die Zweijährige, wie berauscht von zu viel Schokoladenkuchen; und das eine, erst vor Kurzem aufgenommene Bild, auf dem sie friedlich in den Armen ihres Vaters schlief. Die Bilder stürmten auf ihn ein. Was sollte er auf Missys Beerdigung sagen? Was konnte er denn nur zu Nan sagen? Wie konnte das geschehen? Gott, wie konnte das geschehen?
* * *
Ein paar Stunden später fuhr Mack mit seinen beiden Kindern zu dem Hotel in Joseph, das zur Basis für die sich immer mehr ausweitende Suchaktion geworden war. Die Besitzer hatten ihm freundlicherweise ein Gratiszimmer angeboten, und als er ein paar Sachen vom Wagen dort hineintrug, übermannte ihn die Erschöpfung. Dankbar nahm er Officer Daltons Angebot an, mit den Kindern in ein Schnellrestaurant zu fahren. Nun saß Mack allein im Hotelzimmer auf der Bettkante. Die erbarmungslose Faust der Verzweiflung packte ihn, ein die Seele zerreißendes Schluchzen und Stöhnen brach aus ihm heraus, schüttelte ihn bis in den Kern seines Wesens. Und so fand ihn Nan. Zwei gebrochene Liebende hielten einander in den Armen und weinten. All seine Sorgen und Nöte sprudelten aus Mack heraus, und Nan bemühte sich verzweifelt, ihm Halt zu geben.
In jener Nacht schlief Mack immer nur kurze Zeit, um sofort wieder hochzuschrecken, wenn die Bilder auf ihn einstürmten wie eine erbarmungslose Brandung an einer Felsenküste. Schließlich gab er auf.
Als draußen die Sonne aufging, bemerkte er es kaum. An nur einem Tag hatte er die Emotionen eines ganzen Jahres aufgebraucht, und jetzt fühlte er sich taub, trieb in einer plötzlich sinnlos gewordenen Welt, in der Grau als einzige Farbe übrig geblieben war.
Nach anfänglichen heftigen Protesten Nans kamen sie überein, dass es am besten war, wenn sie mit Josh und Kate nach Hause fuhr. Mack würde am Ort bleiben und bei der Suche helfen, so gut er konnte, und um in der Nähe zu sein, nur für den Fall. Er hätte einfach nicht abreisen können, nicht, während Missy vielleicht noch irgendwo dort draußen war und ihn brauchte. Es hatte sich schnell herumgesprochen, was geschehen war. Freunde kamen, halfen ihm, die Campingausrüstung zusammenzupacken, und brachten die Sachen für ihn zurück nach Portland. Sein Chef rief an, bot ihm jede erdenkliche Hilfe an und ermutigte Mack, so lange wie nötig in Joseph zu bleiben. Alle ihre Freunde und Bekannten beteten für Missy.
Reporter, mit Fotografen und Kameraleuten im Schlepptau, versammelten sich morgens vor dem Hotel. Mack mochte sich ihnen und ihren Kameras zunächst nicht stellen,
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