Die Hure Und Der Moench
peitschte ihm ins Gesicht, er konnte kaum etwas sehen. In Fiesole fragte er nach dem Kloster Corona della Santa Maria. Noch vor der Mittagszeit erreichte er sein Ziel. Das Kloster lag auf einem Hügel und war kleiner, als er erwartet hatte. Auf dem Kirchendach stand ein Glockenturm. Francesco stieg vom Pferd, das wie er selbst völlig durchnässt war. Schaum stand vor den Nüstern des Tieres. Francesco klopfte an die Pforte. Eine Schwester in schwarzer Tracht öffnete ihm.
»Ich möchte zu Angelina Girondo, ehrwürdige Schwester«, sagte er. Vor Ungeduld trat er von einem Fuß auf den anderen.
»Wer seid Ihr, wenn ich fragen darf?«
»Ein Freund ihrer Familie«, sagte Francesco. »Ich kann mich nicht länger hier vor dem Tor aufhalten, ich muss sofort zu ihr!«
»Immer mit der Ruhe, Signore«, meinte die Schwester. »Ich muss erst einmal die Äbtissin fragen. Wie lautet Euer Name?«
»Francesco Rosso.«
»Ich werde Eure Bitte überbringen.« Die Schwester eilte davon.
Die Zeit wurde Francesco lang. Er beobachtete zwei Krähen, die miteinander durch den Sturm flogen. Ständig drohten sie auseinandergerissen zu werden, fanden jedoch stets wieder zusammen. So empfand er es auch bei sich und Angelina. Aber wie war es bei ihr? Würde sie ihn überhaupt empfangen wollen? Hatte ihre Mutter ihr etwas erzählt? Die Schwester kehrte zurück.
|265| »Die ehrwürdige Äbtissin würde Euren Besuch erlauben, aber Signorina Angelina will Euch nicht empfangen. Sie sagt, dass Euch nichts mehr mit ihrem Leben verbinde.«
Francesco senkte den Kopf. Eigentlich hätte er sich das denken können. Wie konnte er nur so selbstherrlich annehmen, dass sie ihn wiedersehen wollte, nach allem, was geschehen war? Er begann zu zittern.
»Kommt herein, Ihr friert ja entsetzlich«, sagte die Schwester. »Wärmt Euch auf und lasst Euch einen Teller heiße Suppe geben!«
Francesco folgte ihr in den Innenhof des Klosters. Sein erschöpftes Pferd wurde von einem Stallknecht übernommen. Im Refektorium saßen die Nonnen beim Essen. Francesco setzte sich auf eine der Holzbänke, sprach ein stilles Gebet und ließ sich einen Teller heiße Suppe reichen. Während er aß, ließ er vorsichtig seinen Blick im Raum umherschweifen. Er entdeckte Angelina im selben Augenblick wie sie ihn. Wie bleich sie war! Sie starrte ihn mit einem Ausdruck des Erstaunens und der Angst an. Einen Moment lang waren ihrer beider Blicke miteinander verschmolzen. Angelina machte eine heftige Bewegung, als wolle sie aufstehen und davonrennen, aber sie blieb in gebührlicher Haltung am Tisch sitzen.
Nach dem Essen räumten die Nonnen das Geschirr weg und begaben sich in den Kreuzgang, um anschließend in ihren Zellen zu ruhen und zu beten. Francesco folgte Angelina in den Kreuzgang. Sie schien seine Schritte hinter sich zu hören, denn sie drehte sich mit einem Mal um. Ihre Haltung war sehr gerade, aber ihre Hände strichen nervös an ihrer Kutte entlang. Die Lippen hatte sie zusammengepresst. Wie sehr musste sie gelitten haben!
»Angelina, ich …« Er bewegte sich einen Schritt auf sie zu.
»Komm mir nicht näher, Francesco«, sagte sie mit einer Stimme, die ihm fremd war. »Du sollst mir nicht noch einmal zu nahe kommen.«
»Ich muss mit dir sprechen, Angelina, es ist wichtig!«, presste er hervor.
»Nichts ist mehr wichtig«, antwortete sie.
|266| »Angelina, ich flehe dich an: Wäre ich nicht sofort nach Abschluss der Geschäfte aus Rom nach Florenz geeilt, hätte ich nicht in Botticelli gedrungen, mir deinen Aufenthaltsort zu verraten, wenn es nicht wichtig, ja lebenswichtig wäre, für dich und für mich?«
»Hast du gehört …«
»Ja, ich habe gehört, was mit Eleonore geschehen ist. Ich habe ihr Grab auf dem Friedhof besucht. Um dann sofort hierherzueilen.«
So hatte er sich das Wiedersehen nicht vorgestellt. Was war nur geschehen, dass sie ihm derart die kalte Schulter zeigte? Wieder hatte er eine böse Vorahnung.
»An der Beerdigung habe ich nicht teilgenommen, Francesco. Kannst du dir denken, warum?«
Francesco schluckte.
»Wahrscheinlich ging es über deine Kräfte«, sagte er.
»Nein, nicht deswegen. Ich bringe jedem, der mir nahekommt, den Tod! Deshalb musst auch du schnell wieder fort von hier. Um mein Seelenheil brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Ich habe einem Priester im Dom gebeichtet.«
»Das kann doch nicht dein Ernst sein! Du brauchst jemanden, der dich beschützt!« Und der dich liebt, setzte er in Gedanken hinzu.
»Du meinst
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