Die Hure Und Der Moench
an die Arbeit gehen wollten, trat Mutter Elisa an Angelina heran.
»Ich glaube, wir müssen noch einmal miteinander sprechen«, sagte sie und lächelte, dass die rosa Bäckchen glänzten. Im Zimmer der Äbtissin war es ebenfalls behaglich warm.
»Ich glaube, du musst mir nicht verraten, wer dein gestriger Besucher |269| war«, leitete Mutter Elisa die Unterhaltung ein. »Darf ich fragen, warum du so erschreckt, ja verstört ausgesehen hast?«
»Ich bin mir manchmal nicht sicher, ob ich Francesco vertrauen kann«, antwortete Angelina ausweichend.
»Warum nicht?«
»Er hat ein Bild von mir gemalt, wie ich Euch schon erzählte, und es war so gemalt, dass Savonarola es bestimmt für sein Fegefeuer einsammeln wird.«
»Du wirst dich fragen, wie ich und dieses Kloster zu Savonarola stehen«, sagte Suor Elisa. »Das Gebaren dieses Mönches missfällt uns, und zwar missfiel es uns schon von Anfang an. Er hat eine starke Überzeugung, das ist wahr, und er versteht es, die Massen zu begeistern. Aber jemand, der eine ganze Stadt mit seinen Visionen beherrscht, kann auch genauso schnell in der Gunst des Volkes fallen. Es gefällt uns nicht, dass er die Menschen zu ihrem Glück zwingen will.«
»Er ist gewiss nicht so wie Ihr, ehrwürdige … äh, Mutter Elisa, denkt. Eure Worte haben mir schon sehr oft geholfen!«
»Ich möchte dir auch weiterhin helfen, Angelina. Dazu musst du aber offen sein. Ich möchte die ganze Wahrheit von dir wissen. Dass Francesco ein unzüchtiges Bild von dir gemalt hat, kann dich nicht so verwirren, wie ich es gestern bei dir gesehen habe.«
Angelina überlegte.
»Ich habe Euch doch von den Sünden berichtet, die wir uns gegenseitig am Lago Trasimeno anvertrauten«, sagte sie. »Eleonore Scroffa und Francesco bekannten beide, ein Verhältnis mit einem verheirateten Mann, einer verheirateten Frau gehabt zu haben. Ich dachte immer, die beiden wären ein Paar gewesen, und wären es immer noch, bis … zu Eleonores Tod.«
Angelina schluckte und drängte die Tränen zurück.
»Doch ich habe mich getäuscht! Meine Mutter gestand mir, dass sie ein Verhältnis mit Francesco gehabt habe, und er berichtete gestern, Eleonore und mein Vater wären beisammengelegen. Soll ich daran nicht verzweifeln, Mutter Elisa?«
|270| Sie barg ihren Kopf in den Händen. Mutter Elisa schwieg eine Zeitlang. Dann richtete sie erneut das Wort an Angelina.
»Ich möchte dir einen Rat geben, Angelina. Bleibe bis zum Ende des Jahres, feiere die Geburt Christi und das Neujahrfest mit uns. Bis dahin wirst du mit dir ins Reine kommen und wissen, was du in deinem Leben erreichen willst.«
Der Monat Dezember kam mit Stürmen, Regen und Schnee. Das Leben im Kloster Corona della Santa Maria nahm seinen gewohnten Verlauf. Angelina hielt sich an die Regeln des heiligen Benedikts: bete und arbeite. Wenn das Geschehene ihr auch nicht mehr aus dem Kopf ging, so war es jetzt doch allmählich ferner gerückt, hallte nach wie eine Stimme der Vergangenheit. Selbst die furchtbaren Bilder, die der Priester in ihr wachgerufen hatte, bedrängten sie nicht mehr so stark. Die regelmäßigen Gespräche mit Mutter Elisa führten dazu, dass Angelina sich langsam wieder dem Alltag zuwenden konnte. Wenn sie einmal träumte, hatte sie das nächtliche Ereignis am Tag darauf vergessen. Eines Morgens brachte Suor Bianca ihr einen Brief aus Florenz. Angelina fütterte gerade die Kühe. Sie stellte den Korb mit dem Heu beiseite und erbrach mit zitternden Fingern das Schreiben. Es war von Francesco aus der Via Nuova.
»Angelina«, stand da in einer schönen, schwungvollen Schrift. »Ich habe lange überlegt, ob ich dir schreiben darf, da du ja meine Briefe aus Rom nicht einmal gelesen hast, wie es scheint. Das macht mich traurig. Ich hatte versucht, dir zu erklären, wie ich zu dir stehe. Und daran, dass meine Gefühle dir gegenüber immer tief und aufrichtig waren, habe ich nie einen Zweifel gelassen! Glaube mir, was dir so sehr ins Herz geschnitten hat, hat auch mir, hat auch anderen sehr weh getan. Über die Menschen, deren Handeln du nicht verstehen konntest, weißt du nun Bescheid. Und ich kann nur hoffen, dass du mir verzeihst und es wieder zulässt, dass wir zwei uns nahe kommen. Dein Bild habe ich immer noch an einem sicheren Ort verwahrt. Ich betrachte es jeden Tag, und mit jedem Tag erscheinst |271| du mir schöner und begehrenswerter. Jede Nacht besuchst du mich in meinen Träumen und bist bei mir, wenn ich wach liege. Und ich bin sicher,
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