Die Hure Und Der Moench
nicht, Frau Mutter«, sagte Angelina mit Schärfe in der Stimme. »Was steckt wirklich hinter dem allen?« Sie ließ ihre Mutter nicht aus den Augen.
»Es gibt Umstände in meinem Leben, die ich ungeschehen machen möchte, wenn ich nur könnte«, antwortete Signora Girondo leise.
»Wovon sprecht Ihr, Frau Mutter?«
|256| Signora Girondo setzte sich erneut auf den Stuhl, um ihre Fassung ringend.
»Oft wollte ich zu dir gehen, aber das, was ich getan hatte, hielt mich davor zurück. Ich habe dich immer geliebt, glaub mir das!«
»Ich glaube es, Frau Mutter. Doch habt Ihr mir durchaus Anlass zum Zweifel gegeben.«
»Ich muss dir die Wahrheit sagen.« Signora Girondo schniefte. »Vor einiger Zeit war ich bei Signor Botticelli, um nach dem Bild zu fragen, das wir in Auftrag gegeben hatten. Er sagte, er wisse nicht, wo Francesco Rosso es versteckt hätte, aber sobald er von Rom zurück wäre, würden wir es selbstverständlich erhalten. Francesco hätte es vor den
Fanciulli
in Sicherheit bringen müssen. Aber dann gab er mir drei Briefe von Francesco, die an dich gerichtet waren. Verzeih mir, Gott möge meiner Seele gnädig sein, aber ich habe diese Briefe geöffnet, weil ich mir allzu viele Sorgen über dich und diesen Francesco gemacht hatte.«
Angelina glühte innerlich vor Freude, dass Francesco ihr geschrieben hatte, aber sie ließ sich nichts anmerken.
»Warum war Botticelli im Besitz dieser Briefe?«
»Francesco hat sie an seine Adresse gerichtet. Er wusste nicht, wo du dich aufhieltest.«
Angelinas innere Spannung wuchs. Was konnte ihre Mutter bloß so aus dem Häuschen gebracht haben?
»In einem dieser Briefe stand etwas von einer Schuld, die Francesco und weitere Personen, auch du, auf sich geladen hätten. Während der Pestzeit hättet ihr darüber gesprochen. Du musst wissen, dass auch ich schwere Sünde auf mich geladen habe.«
Angelina erschrak. Wollte ihre Mutter ihr die Sünden ihrer Jugend beichten? Signora Girondos Wangen zitterten.
»Ich habe ein Liebesverhältnis gehabt, als ich schon verheiratet war«, sagte sie. Angelina wurde es schwarz vor Augen. Sollte jetzt die Wahrheit an den Tag kommen? Nein, sie wollte es nicht hören, sie würde sogleich aus dem Zimmer laufen, sich die Ohren zuhalten und sich in ihrem Bett verkriechen.
|257| »Von Tante Bergitta habe ich gehört, dass du vor deiner Ehe … eben nicht den besten Lebenswandel hattest«, brachte Angelina hervor.
»Nein, es war nicht in dieser Zeit, es war später.«
»Wer war dieser Mann?« Angelina war entschlossen, dem Unausweichlichen ins Auge zu sehen.
»Ich bringe den Namen nicht über die Lippen«, stammelte ihre Mutter. »Aber du kennst ihn.«
»War es Francesco?«, fragte Angelina, einer Ohnmacht nahe.
»Ja.« Signora Girondo schien fast erleichtert, dass die Worte heraus waren.
»Gib mir Francescos Briefe«, rief Angelina, blind vor Zorn und Trauer.
Zitternd händigte Signora Girondo ihr die Briefe aus. Angelina zerriss sie in kleine Fetzen, warf sie ihrer Mutter vor die Füße, drehte sich um und ging.
|258| 32.
Ein kalter, regnerischer Morgen war über der Stadt Florenz aufgezogen. Nach den Laudes suchte Domenian Savonarola in dessen Zelle auf.
»Girolamo, ich mache mir die allergrößten Sorgen um dich«, sagte er. »Aus Rom erhielt ich die Nachricht, dass der Papst alles daransetzen werde, dich zu vernichten! Wie soll es weitergehen? Während wir die ›Eitelkeiten‹ der Bürger für den nächsten
Carnevale Savonarole
einsammeln, ist die Stadt außer Rand und Band geraten! Die Übergriffe werden immer schlimmer. Selbst wenn wir unsere treue Gemeinde halten können – auch nach dem Februar wird es Uneinigkeit geben. Der Papst und seine Kardinäle schlafen nie!«
»Oh, ihr Kleinmütigen unter der Sonne!«, erwiderte Savonarola. »Wer nur ganz fest auf mich und das Reich Gottes vertraut, den werden keine Zweifel befallen. Merke, Domenian: Auch wenn ich untergehen sollte, wenn du und unsere Glaubensgenossen untergehen sollten, wird der Gottesstaat doch nicht untergehen, weil er ewig ist und bleiben wird. Gehe hin, bete, arbeite und tue deine Pflichten im Namen des Herrn!«
Domenian atmete erleichtert aus.
»Du bist mein Brunnen in der Wüste, Herr«, murmelte er. Mit einer Bewegung seiner knochigen Hand entließ ihn der Frate. Während der Prim schossen Domenian wieder Gedanken und Bilder durch den Kopf, er konnte sich ihrer nicht erwehren. Er sah sich in seiner Zelle, wie er auf das Bildnis Maria Magdalenas
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