Die Hure Und Der Moench
jemand um, der bestimmten Menschen nach dem Leben trachtet«, meinte Matteo. »Wer war bei dem Fest Eures Vaters anwesend, Angelina?«
Sie überlegte einen Augenblick lang.
»Meine Eltern und Geschwister, Francesco, Signor Tomasio, Signor Fredi, mein zukünftiger Gatte, die Diener und die übrigen Gäste, die ich nicht alle kannte.«
»Dann könnte es also jeder von ihnen gewesen sein, der Signor Fredi umbrachte?«
»Ja, so ist es«, erwiderte sie. »Doch halt … kurz bevor der Mord geschah, hämmerte eine Schar von
Fanciulli
an die Tür. Alle Gäste liefen dorthin, um zu sehen, was geschah.«
»Wirklich alle?«, fragte Matteo nach. »Wo war Fredi, als er gefunden wurde?«
»Hinten im Garten, neben dem Brunnen.«
|94| »Es könnte sich also einer von den
Fanciulli
hereingeschlichen haben?«
»Schon möglich«, erwiderte Angelina. »Aber warum hätte er ihn töten sollen?«
Matteo wechselte einen raschen Blick mit seiner Frau.
»Signor Fredi war bekannt als jemand, der sein Leben in großen Zügen genoss. Er räusperte sich. »Es tut mir leid, dir das zu sagen, aber nun muss ich es. Er frönte nicht nur dem guten Essen und Trinken, sondern ging auch regelmäßig zu Huren. Zwar versuchte er das zu vertuschen, aber es war ein offenes Geheimnis in der Florentiner Gesellschaft.«
Und mit dem hatten ihre Eltern sie verheiraten wollen? Guter Gott!
»Ihr meint also, dass möglicherweise Savonarola die Jungen beauftragt hat, Fredi zu töten?«, fragte Lucas.
»Entweder handelten sie auf seinen Befehl hin oder sie haben es aus freien Stücken gemacht«, beschied Matteo.
»Das geht zu weit!« rief Lucas. »Es wird Zeit, dass diese Schreckensherrschaft ein Ende findet!«
Botticelli war blass geworden.
»Ich dulde es nicht, dass derartig über den
Frate
gesprochen, dass er verdächtigt wird, schwere Straftaten zu begehen. Er ist das Lamm Gottes, das keiner Fliege etwas zuleide tun würde! Ich verbürge mich für seinen Ruf.«
»Es wurde auch nicht gesagt, dass er Straftaten begangen hätte«, besänftigte Matteo. »Es können auch seine Helfer gewesen ein. Aber es ist immer die Saat, die aufgeht und Böses gebiert.«
Francesco hatte derweil nachdenklich vor sich hin geschaut.
»Ich verstehe nicht«, begann er, »warum die Bürger der Stadt Florenz gezwungen werden, ihre ›Eitelkeiten‹ herauszugeben, warum Frauen auf der Straße angepöbelt werden, wenn sie ihre Haare nicht bedeckt halten. Und dass man mich beschimpft und zusammenschlägt wegen eines Bildes, das etwas anderes zeigt als fromme Szenen aus der Bibel. Es ist weniger fragwürdig, wenn die |95| Leute ihre Sachen freiwillig ins Feuer werfen, wie im letzten Karneval. Für mich ist das kein Gottesstaat, der seine Kinder vergewaltigt!«
»Du hast aber schon ganz anders gesprochen«, meinte Botticelli und schob die Unterlippe vor.
»Ich habe die Geschehnisse genau beobachtet«, erklärte Francesco. »Als Savonarola das ›Fegefeuer der Eitelkeiten‹ veranstaltete, wurde ich hellhörig. Das kann nicht sein, sagte ich mir, dass Kunstwerke den Flammen übergeben werden, die in mühsamer, hingebungsvoller Arbeit geschaffen wurden.«
»Es ist aber vonnöten, wenn der Teufel die Hand des Malers geführt hat.«
Botticelli stützte seinen Kopf schwer in die Hand.
»Das kannst du mir doch nicht erzählen«, fuhr Francesco auf. »Dann hat der Teufel auch deine Hand geführt! Du hast die Gefilde des Antiken, die dich immer so sehr inspiriert haben, verlassen und bist für immer zu den düsteren Visionen des Savonarola übergegangen!«
Die Gesichtsfarbe des Meisters wechselte von rot nach blass.
»Ist nicht der Einzug des schwarzen Todes ein Beweis für die Prophezeiungen Savonarolas? Hat er nicht gesagt, Gottes Reich komme mit der Wende des Jahrhunderts, und dann werde Gott die Spreu vom Weizen trennen?« Seine Augen verengten sich. »Wehe dem, der nicht Buße getan und sich von seinen Sünden gereinigt hat, wenn das Weltgericht kommt!«, rief er aus.
»Wir sind fromme Christen, wie Ihr auch einer seid«, warf Matteo ein.
»Wir gehen in die Kirche, beten und beichten unsere Sünden, so wir welche begehen. Ich glaube nicht, dass der schwarze Tod die Strafe Gottes für unsere Frevel ist.«
»Wir geben auch den Armen, wo immer wir können«, ließ sich Eleonore vernehmen.
»Ich kenne Euch als gottesfürchtige Familie«, meinte Botticelli einlenkend. »Ich sage nur, habt acht bei allem, was Ihr tut!«
|96| Angelina, die Francesco gegenübersaß, sah,
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