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Die Hure Und Der Moench

Die Hure Und Der Moench

Titel: Die Hure Und Der Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa S. Lotz
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dass dessen Augen wütend funkelten.
    »Du willst dich über uns alle stellen, Sandro«, rief er. »Dabei bist du ein Pharisäer! Savonarola hat dich mit seinen Predigten verführt, und jetzt willst du dich bei ihm einschmeicheln!«
    Botticelli wurde noch bleicher, wie eine Wand. Er warf seinen Löffel auf den Tisch.
    »Dass du mir jetzt auch noch in den Rücken fällst, hätte ich nie von dir gedacht, Francesco!«, sagte er laut. »Wenn es darum geht, einen vorbildlichen Lebenswandel zu führen, wärest du der Letzte, der darüber sein Maul aufreißen könnte!«
    Alle anderen schwiegen betreten. Francesco stand auf und stieß seinen Stuhl zurück. Mit zusammengepresstem Mund verließ er den Kreis. Angelina hielt die Spannung, die durch diesen Streit entstanden war, nicht aus. Sie erhob sich ebenfalls.
    Francesco stand in der Sonne im Garten und blickte hinüber zu den Bergen. Als er Angelina herankommen hörte, drehte er sich nicht um, sondern setzte sich langsam in Bewegung. Sie folgte ihm. Die Wärme des Nachmittags tat ihr wohl. Die Grillen zirpten so laut, dass es ihr wie ein Orchester erschien. Ein Geruch nach Thymian wehte ihr entgegen. Sie spürte die Anwesenheit Francescos stärker als je zuvor, auch wenn er beharrlich schwieg. Die Sonne blendete sie beim Steigen auf dem schmalen Pfad. Über den Weinreben sah sie zwei Libellen, deren Hinterteile miteinander verbunden waren und die einen anmutigen Tanz miteinander aufführten. Sie wagte nicht, Francesco darauf aufmerksam zu machen, weil sie fürchtete, rot zu werden. Plötzlich blieb er abrupt stehen. »Habt Ihr keine Angst, was die anderen denken, dass Ihr mir einfach nachgeht?«, fragte er.
    »Ich hatte auch keine Angst, was die Leute denken, als ich Euch in Florenz ganz allein gepflegt habe«, erwiderte sie nur.
    »Stimmt«, sagte er. »Das ist eine Zeit, an die ich mich kaum erinnere.«
    »Es war ein Traum, der vorübergegangen ist«, entgegnete Angelina mit einem Anflug von Wehmut in der Stimme.
    |97| »Ihr seid ein Dickkopf, Angelina. Ihr wirkt immer so gehorsam, aber Ihr gehorcht niemandem.«
    Warum war er nur so wütend?
    »Es wäre Euch wohl recht, wenn ich Euch, dem großen Francesco, gehorchen würde!«, gab sie zurück.
    Seine Züge wurden mit einem Mal weich.
    »Es wäre mir recht, Angelina, wenn wir nicht mehr miteinander Versteck spielen würden. Du weißt, dass ich dich liebe! Du musst es gewusst haben, von Anfang an. Ich erinnere mich nämlich sehr wohl an unsere Zeit in Botticellis Haus, auch wenn ich immer wieder wegdämmerte.«
    Angelina verschlug es die Sprache. Francescos Worte klangen warm in ihr nach.
    Er trat einen Schritt auf sie zu, legte seine Arme um ihre Schultern und zog sie an sich. Seine Augen waren ganz nah. Sie öffnete leicht die Lippen, ohne es zu wollen, und spürte seinen Mund auf ihrem. Ihre Knie wurden weich, sie hatte das Verlangen, auf den Boden zu sinken, sich ihm ganz hinzugeben. Sein Kuss wurde fordernder, ein süßes, nie gekanntes Gefühl durchströmte sie. Langsam lösten sie sich voneinander, nahmen sich wortlos bei den Händen und liefen weiter. Es war, als zirpten die Zikaden nur deswegen, um ihnen eine Freude zu machen, als gieße die Sonne nur für sie goldenes Licht über die Wiesen.
    Auf der Höhe angekommen, nahm der kühle Wald sie auf. Angelina dachte an die Zigeunerin. Fast erwartete sie, die Frau wieder anzutreffen. Als sie auf der anderen Seite den Berg herabstiegen, sahen sie, dass die Zigeuner am Fuß des Hügels ihr Lager aufgeschlagen hatten. Ihre Wagen und Zelte standen im Kreis um ein Feuer herum, über dem ein Ferkel am Spieß briet. Angelina glaubte die alte Frau unter ihnen zu sehen. Die Zigeunerin bewegte die Hand vor ihrer Brust hin und her, als wolle sie ihr einen Gruß zukommen lassen.
    Ängstlich drehte sie sich weg.
    »Wovor hast du Angst?«, meinte Francesco. »Die haben niemandem |98| was getan. Sie haben keinen Besitz und sind somit in Gottes Liebe.« Angelina erzählte ihm nichts von der Weissagung. Was Francesco anging, hatte sie sich erfüllt.
    An diesem Abend stieg der Mond über den Horizont wie eine blutige Scheibe.
     
    Am folgenden Tag baute Francesco seine Staffelei im Garten auf, mischte die Farben und wies Angelina an, ihm in ihrem neuen Kleid Modell zu sitzen. Bevor er mit der Arbeit begann, spannte er einen großen weißen Schirm auf, um einen für das Bild günstigen Lichteinfall zu erreichen. Das Gewand hatte Angelina in der Zwischenzeit reinigen lassen und fühlte

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